Böse Bilder aus dem Putenstall

Die Tierschützer von Peta verschärfen ihre Vorwürfe gegen Niedersachsens Agrarministerin

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Tierschutzorganisation Peta präsentiert in Hannover neue Videos von leidenden Mastputen. Die Aufnahmen sind, daran besteht kaum Zweifel, in einem Betrieb entstanden, an dem der Familienbetrieb von Niedersachsens CDU-Agrarministerin Astrid Grotelüschen beteiligt ist.

Stefan Bröckling wirkt nicht wie ein Fanatiker, aber äußerst entschieden. Der Mann, vielleicht Anfang 40, hat ein freundliches, rundes Gesicht und spricht in wohlgesetzten Worten. Dabei ist sein Job spektakulär: »Verdeckter Ermittler« bei der Tierschutzorganisation Peta. Als solcher ist er im August und September in Putenmastanlagen eingedrungen, um leidende Tiere zu filmen. Böse Bilder, die Peta gestern in Hannover präsentierte und danach im Internet freischaltete: Nahaufnahmen von Tieren, die Laien als krank erkennen, die von anderen Tieren verletzt worden sind. Taumelnde, gerupfte Vögel in dichter Masse, der Stall auch nachts beleuchtet.

Bröcklings neueste Aufnahmen stammen aus einem Stall im niedersächsischen Cloppenburg, an dem die Mastputenbrüterei Ahlhorn beteiligt ist – das Unternehmen der Familie der niedersächsischen Agrar- und Tierschutzministerin Astrid Grotelüschen (CDU). Daran kann kaum ein Zweifel sein, an einer Stelle hält Bröckling sogar ein GPS-Gerät ins Bild, um seinen Standort zu dokumentieren. Bröckling sagt, dass die gefilmten Bedingungen kein Einzelfall seien, sondern das Normale in der Putenproduktion. Dass die Mastputen, deren kurzes Leben im Grotelüschen-Familienbetrieb beginnt, »Qualzüchtungen« seien, auf Dauer nicht lebensfähig. Und dass die Ministerin zurücktreten müsse.

Peta ist für sehr aggressive, aber professionelle Kampagnen bekannt. Edmund Haferbeck, der »wissenschaftliche Berater« der Gruppe, provoziert die Ministerin sogar persönlich: »Quasi erfunden« sei der Brandanschlag auf den Grotelüschen-Betrieb nach der letzten Peta-Veröffentlichung, lässt er sich zitieren. Im Stallbereich war damals eine Mülltonne entzündet worden.

Grotelüschen wird also reagieren müssen – so oder so, aber auf jeden Fall geschickter als nach der letzten Petra-Filmpremiere. Mit den im Sommer skandalisierten Ställen in Mecklenburg wollte sie erst nichts zu tun haben. Dann organisierte angeblich ihr Mann, der den Betrieb jetzt alleine weiterführt, gleichlautende eidesstattliche Erklärungen: die Aufnahmen seien nicht echt – was »Report Mainz« widerlegen konnte. Dann entstand ein Hin und Her über die Frage, von welcher Fax-Nummer diese Erklärungen verschickt worden seien. Es stellte sich heraus, dass Grotelüschens CDU-Büro offenbar in der Mastputenbrüterei liegt – und die Erzeugergemeinschaft, in deren Ställen nun gefilmt wurde, dieselbe Adresse hat. In öffentlich-rechtlichen Magazinen muss sich Grotelüschen seither fragen lassen, ob sie denn zwischen Politik, Familie und Geschäft trennen könne.

Grüne und LINKE im Landtag fordern schon seit Wochen Grotelüschens Rücktritt. Die Grünen wollen im Landtag einen Entwurf zur Verbesserung des Tierschutzes in Putenställen präsentieren, um das Thema lebendig zu halten. Peta hat Strafanzeige gestellt.

Bisher hat sich Ministerpräsident David McAllister (CDU) ausdrücklich hinter Grotelüschen gestellt: Ihre Branchennähe sei als »Erfahrung« zu verstehen und nicht als Interessenkonflikt, sagte er noch vor einer guten Woche. Vielleicht wird auch er umdenken müssen an diesem Punkt: Denn eins zeigt derzeit jede Presseschau: »Tierquälerei« ist längst auch zum Thema des Boulevards geworden – dann wird es bekanntlich gefährlich. Und es ist ja nicht so, dass die Niedersachsen-CDU sonst keine Probleme hätte.

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