Zapatero in der Zwickmühle

Mit ihrem Streik setzen spanische Gewerkschaften die sozialdemokratische Regierung unter Druck

  • Ralf Streck, Donostia
  • Lesedauer: 3 Min.
Die spanischen Gewerkschaften gehen davon aus, dass Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero nach den Protesten vom Mittwoch bei der bereits verabeschiedeten Arbeitsmarktreformdoch noch einlenken muss.

»Es ist ein Erfolg für die Demokratie und die Beteiligung«, kommentierte der Chef der spanischen Arbeiterunion (UGT) gestern die ersten Zahlen zur Streikbeteiligung. Mit roten Fahnen, Trillerpfeifen und Spruchbändern zogen Tausende durch die Städte, um ihre Wut über die Politik der sozialdemokratischen Regierung auf die Straße zu tragen. »So nicht!«, erklärten sie und forderten die Rücknahme des Arbeitsmarktdekrets, mit dem der Kündigungsschutz praktisch abgeschafft worden ist.

Ein Generalstreik sollte das Land lahm legen. Dies gelang indes nicht. Längst nicht alle Beschäftigten folgten dem Aufruf. Trotzdem: Mit dem ersten Generalstreik gegen den Sozialdemokraten PräsiZapatero haben die Gewerkschaften Stärke gezeigt. Besonders in Andalusien und in Katalonien war die Beteiligung sehr hoch. Dort, wie auch in Madrid, sendete der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur ein Notprogramm.

Unzufrieden mit der Beteiligung

Der Bahn- und Flugverkehr fiel weitgehend aus. In der Hauptstadt und in anderen Regionen, in denen im öffentlichen Nahverkehr Minimaldienste liefen, wurden auch Busse und Bahnen blockiert. Es kam zu kleineren Handgreiflichkeiten mit der Polizei und zu einigen Festnahmen. Doch auch die Regierung betont, der Streik sei ohne größere Zwischenfälle verlaufen.

Ignacio Fernández Toxo, Generalsekretär der großen Arbeiterkommissionen (CCOO), geht davon aus, dass Zapatero einlenken wird. Das hofft auch Modesto Martínez, der den Marsch in der baskischen Stadt Donostia-San Sebastian angeführt hat. Zufrieden war er hier mit der Beteiligung nicht. Die Geschäfte, Cafes und Banken im Seebad waren geöffnet, wie fast überall im Baskenland (und im Rest Saniens). Nur in Industriegebieten blieben einige Firmen geschlossen. Bei Volkswagen in Pamplona liefen keine und bei Mercedes in Vitoria-Gasteiz nur wenige Autos vom Band.

Schweißtropfen stehen Martínez auf der Stirn, als er warnt, dass dies erst der Anfang eines heißen Herbstes sein werde, wenn Zapatero nicht nachgibt. »Wenn die Regierung das Dekret nicht zurücknimmt, werden wir den Kampf fortsetzen«. Er hofft, dass dies geeinter geschieht, denn die großen baskischen Gewerkschaften haben sich gestern nicht beteiligt.

Doch vom Verantwortlichen der UGT in der Provinz Gipuzkoa kommt nicht nur Kritik an den anderen, sondern auch Selbstkritik am eigenen bisherigen Verhalten. »Es war ein Fehler, nicht zum Streik am 29. Juni aufzurufen«, erklärte er. In einer schnellen Reaktion auf das Arbeitsmarktdekret wurde damals mit einem Generalstreik das Baskenland weitgehend lahm gelegt und das war schon der zweite seit Beginn des Sparkurses. »In solch elementaren Punkten sollte eine Gewerkschaftseinheit bestehen«, sagte Modesto dem »Neuen Deutschland«.

Auch für Gewerkschaftler, die beide Streiks mitgemacht haben, kommt dieser Generalstreik zu spät. Zu lange hätten sich CCOO und UGT in den Sozialpaktgesprächen »verarschen« lassen, räumt auch der UGT-Chef in Madrid ein. Die Arbeitslosigkeit ist auf über 20 Prozent gestiegen, die Löhne im öffentlichen Dienst wurden gekürzt, die Renten eingefroren und die Arbeitsmarktreform ist schon in Kraft.

Der Rauswurf wird auch billiger

Die wird nun auch als Drohung eingesetzt: Berichte häufen sich, nach denen Beschäftigten, die streiken, mit Kündigung gedroht wird. Denn gekündigt werden kann nach dem Dekret, wenn der Betrieb einen »Rückgang des Gewinns« verzeichnet. Zudem wird der Rauswurf jetzt deutlich billiger. Gezahlt wird eine Abfindung von 20 Tagen pro gearbeitetes Jahr, bisher waren 45 Tage die Regel.

Zapatero hat sich erfolgreich in eine Zwickmühle manövriert. Lenkt er ein, wie sein konservativer Vorgänger nach dem Generalstreik gegen dessen Arbeitsmarktreform 2002, wird die Volkspartei (PP) auf die geschwächte Regierung einprügeln und der Ruf nach Neuwahlen lauter werden. Bleibt er stur, wird das Land an jedem Reformpunkt erschüttert werden. Das wiederum wird nicht dabei helfen, aus der tiefen Krise zu kommen.

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