CSU-Misstöne zu Erdogans Visite

Grüne: Seehofer trägt sarrazinschen Rassismus in die bundesdeutsche Spitzenpolitik

  • Lesedauer: 3 Min.
Während des Deutschland-Besuchs des türkische Regierungschefs Erdogan heizte Bayerns Ministerpräsident Seehofer mit rechtspopulistischen Parolen die Integrationsdebatte an.

Berlin/München (Agenturen/ND). Keine Türken und Araber mehr nach Deutschland: Mit der Forderung nach einem Zuwanderungsstopp für Ausländer aus »fremden Kulturkreisen« macht CSU-Chef Horst Seehofer Politik am rechten Rand. Die Grünen warfen dem bayerischen Ministerpräsidenten Populismus vor. Kritik kam auch von FDP, SPD und LINKEN, die CDU zeigte sich irritiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan warben derweil für eine bessere Integration.

Seehofer sagte dem Magazin »Focus«: »Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun.« Daraus ziehe er den Schluss, »dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen«. Gleichzeitig forderte er schärfere Sanktionen gegen Integrationsverweigerer. Diese müsse man »härter anpacken«.  

Grünen-Chefin Claudia Roth griff Seehofer scharf an. »Mit seiner unsäglichen und skandalösen Unterscheidung von guten und schlechten Migranten je nach Kulturkreis trägt er den sarrazinschen Rassismus und Sozialdarwinismus in die bundesdeutsche Spitzenpolitik«, erklärte Roth. Kritik übte auch der Koalitionspartner FDP: »Seine Äußerungen schaden unserem Land ebenso wie die Äußerungen von Thilo Sarrazin zur Genetik«, erklärte der integrationspolitische Sprecher der Partei im Bundestag, Serkan Tören. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) meinte: »Eine auf bestimmte Nationalitäten begrenzte Zuwanderungspolitik stigmatisiert hier lebende Menschen und dient nicht dem inneren Frieden.« Petra Pau von der Linkspartei erklärte, was Bundespräsident Wulff zueinanderbringen wollte, treibe Seehofer gegeneinander

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach zeigte sich irritiert. Wenn Seehofer hinter geltendes Recht zurückwolle, habe er Zweifel, ob das verfassungsrechtlich und völkerrechtlich überhaupt möglich sei. Als Beispiel nannte er den Ehegattennachzug oder den Schutz politisch Verfolgter. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), erklärte, sie sei »sehr schockiert« über die Äußerungen Seehofers. Menschen aus einem anderen Kulturkreis dürften nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden.

Merkel und Erdogan sprachen sich am Samstag in Berlin für eine bessere Integration der etwa zwei Millionen in Deutschland lebenden Türken aus. Oft hätten türkische Mitbürger eine schlechtere Ausbildung und beendeten seltener die Schule mit einem Abschluss, sagte Merkel. »Das möchten wir ändern.« Erdogan sagte, zu einer besseren Integration gehöre neben der Beherrschung der türkischen Muttersprache auch ein »sehr gutes Deutsch«. Der türkische Premier zollte Bundespräsident Christian Wulff für seine jüngste Anmerkung, auch der Islam gehöre zu Deutschland, großes Lob. Damit habe er eine Realität anerkannt – so wie es eine Realität sei, dass auch Christentum und Judentum zur Türkei gehörten.

Bei den EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei sagte Merkel Erdogan Unterstützung zu. »Wo wir hilfreich sein können, werden wir das sein.« Erdogan forderte: »Es darf keine Verlangsamung in diesem Prozess geben.«

Kommentare Seite 4

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal