Bildungsrauschen

Irritierende Ergebnisse

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Hochschuldidaktiker Rolf Schulmeister sorgt mit seiner Studie, nach der Studenten im Schnitt »gerade mal 26 Stunden pro Woche fürs Studium (und damit) deutlich weniger als verlangt arbeiten« (siehe Kommentar), auch im Internet für reichlich Diskussionsstoff.

Nach der Berichterstattung auf www.faz.net kritisiert Christian Oppenländer: »Vier Studiengänge, drei davon Ernährungswissenschaften, Sozialpädagogik und Medienwissenschaften. Wenn man Medizin, Informatik, Physik, Mathematik untersucht hätte, könnten wir nun einhellig über die Überbelastung der Studenten jammern. Außerdem hätte man bei den Untersuchungen die ersten beiden Semester weglassen müssen, da die große Zahl an Studienabbrechern in den härteren Fächern (MINT) den Durchschnitt stark runterziehen. Daher: Differenzierung angebracht, Interpretation überdenken.« Nanette Stein fordert die Leser auf: »Gehen Sie nur mal in die Bibliothek Ihrer nächstgelegenen Uni. In wenigen Wochen werden Sie da keinen Sitzplatz mehr finden.«

Davis Brandstädter wundert sich, »dass der Studienjob kaum Erwähnung findet. In meinem Umfeld arbeiten mehr als die Hälfte aller Kommilitonen, um sich ihr Studium zu finanzieren. Summiert man die Zeit (10 Stunden pro Woche) und den ermittelten Durchschnittswert auf, kratzt man doch bereits an der geforderten 40-Stunden-Einsatzzeit.« Sascha Kaiser bemerkt: »Die Selbstmordraten sind bei kaum einer Bevölkerungsgruppe so hoch wie unter den Studenten. Das Studium ist eine gewaltige Umstellung im Leben junger Menschen. In der Schule war das Leben klar strukturiert. Im Studium ist das anders. Es gibt Zwischenprüfungen, oft von Beginn an das große Lernen für die Abschlussprüfung. Da stellt sich ab dem ersten Tag die Frage: Soll ich ins Kino oder lieber lernen? So wird freie Zeit immer mit einem schlechten Gewissen erkauft. Am Ende bleibt der subjektive Eindruck, viel mehr getan zu haben. Weil man nie abschaltet.

Am 12. Oktober wendet Frank Wendler ein: »Als Universitätsdozent überrascht mich weder der relativ geringe Zeiteinsatz der Studies noch das Überforderungsgefühl angesichts mieser Studienbedingungen und bürokratisierter Studiengänge. Dass die Bologna-Reform mit ihren Modulen, Leistungspunkten und Pflichtkursen das, was man einmal Studium genannt hat – Wissenshunger, Eigenständigkeit und kritische Reflexion des Stoffes – weitgehend abgeschafft hat, kann ich bestätigen. ›Was muss ich machen, um den Leistungsnachweis zu bekommen‹ ist die einzige Frage, um die es geht. Das Interessante an der Studie ist aber der Nachweis, dass Arbeitszeit und Lernerfolg kaum miteinander zusammenhängen. Es wird klar, dass gedankliche Arbeit nur begrenzt durch den Faktor Zeit, viel eher durch das innere Engagement an einem Thema erfasst werden kann.«

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