Bundeswehr ist »nicht erfolgsfähig«

Kommissionschef Weise empfiehlt Rundumerneuerung fürs Militär und Halbierung des Verteidigungsministeriums

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

In zu Guttenbergs Kalender ist der Reformationstag um eine Woche vordatiert worden. Der Chef der vom Minister eingesetzten Strukturkommission, Frank-Jürgen Weise, forderte am Sonntag in der ARD radikale Reformen: weniger Soldaten und ministerielle Beamte, bessere Kommunikation und eine Neuorganisation des Rüstungsprozesses.

Mit ineffizienten Behörden hat Frank-Jürgen Weise mehr als genug Erfahrung. Das mag auch der Grund gewesen sein, warum Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gerade ihn, den Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, zum Leiter für die Strukturkommission der Bundeswehr machte. Am Sonntag gab der Oberst der Reserve schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das, was in dem 114-seitigen Bericht der Kommission nachzulesen sein wird. »Vom Einsatz her denken. Konzentration, Flexibilität, Effizienz« ist er überschrieben und soll am Dienstag vorgestellt werden.

Die Vorschläge klingen radikal, sind es auch, wenn man sich ihnen aus dem gewohnten Beamtentrott, der seit Jahrzehnten die Truppe beherrscht, nähert. Weise ging die Probleme von der Spitze her an. Allein das Verteidigungsministerium könne man um die Hälfte verkleinern, sagte er im »Bericht aus Berlin«. Statt derzeit rund 3300 blieben dann noch etwa 1600 Mitarbeiter im Berliner Ministerium. Und da zeigt sich schon eine erste bürokratische Hürde, die die Effektivität bremst. Denn Hauptsitz des Ministeriums ist nach wie vor Bonn. Nur nicht rütteln am Hauptstadtvertrag! Also bleibt am Rhein eine – eher symbolische – Dependance des Ministeriums zurück.

Doch Einsparungen an der Spitze allein führen nicht zum beabsichtigten Effektivitätszuwachs, der die Bundeswehr noch einsatzorientierter machen soll. Es gebe zwar »tüchtige und gut qualifizierte« Soldaten und Zivilangestellte, doch die Strukturen der Truppe seien »nicht erfolgsfähig«. Tausende Mitarbeiter in Dutzenden Referaten und Stäben arbeiten eher aneinander vorbei als miteinander. Unklare Zuständigkeiten, Verantwortungswirrwarr und Absicherungsdenken beherrschen Streitkräfte und Ministerium. Man brauche diese verschiedenen Stäbe, die zum Teil Informationen verfälschten und blockierten, nicht, gab Weise Auskunft.

Renovierungsbedarf sieht die Kommission auch bei der Beschaffung von Kriegsgerät. Bislang habe man immer wieder extrem teure Rüstungsgüter bestellt, die nicht auf die neue globale Einsatzbestimmung der Truppe orientiert seien. Beispielsweise bekommt die Luftwaffe wesentlich mehr Eurofighter-Jets als sie braucht, die Bestellung des Kampfhubschraubers »Tiger«, der noch immer nicht einsatzfähig ist, stammt noch aus Zeiten, da man Panzerarmeen aus dem Osten abwehren wollte.

Weise äußerte sich auch zur Truppenstärke. Die will er nicht so

stark abzusenken, wie es Generalinspekteur Volker Wieker vorgeschlagen hat. Wieker wollte einen Mindestumfang von 163 500 Soldaten erreichen, die Strukturkommission hält dagegen eine Truppenstärke zwischen 180 000 und 190 000 Soldaten für angemessen. Ziel müsse es sein, die Anzahl der Soldaten, die für Einsätze auch tatsächlich verfügbar seien, deutlich zu erhöhen.

Verteidigungsminister zu Guttenberg gab bekannt, er werde den Kommissionsbericht bis Ende Januar prüfen lassen, um dann zu entscheiden, wie viel daraus bei der laufenden Bundeswehrreform berücksichtigt werden könne.

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