»Glänzende« Aussicht für Mondstation

Krater an den Polen des Erdtrabanten bergen nicht nur Wasser, sondern auch Quecksilber

  • Walter Willems
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Jahrtausenden beflügelt der Mond nicht nur die Fantasie des Menschen, er weckt auch ihre wissenschaftliche Neugier. Schon im zweiten Jahrhundert v. u. Z. kalkulierte der griechische Astronom Hipparchos die Entfernung zu dem Erdbegleiter erstaunlich genau, nach der Erfindung des Fernrohrs entstanden im 17. Jahrhundert die ersten Mondkarten, und 1969 Jahren betraten die ersten Menschen den Erdtrabanten.

Aber auch im 21. Jahrhundert zeigt jede neue Entdeckung, wie spärlich das Wissen um den Himmelskörper noch immer ist. Welche gewaltigen Wasservorkommen in den polnahen Mondkratern lagern, der noch vor Kurzem als staubtrocken galt, berichten mehrere Forscherteams im Fachjournal »Science« (Bd. 330, S. 463 ff).. Zudem konservieren die Krater ein reichhaltiges Sammelsurium weiterer Elemente, darunter Schwefel, Magnesium und Silber, aber auch Gifte wie Quecksilber.

Da dem Mond eine schützende Atmosphäre fehlt, unterliegt der Himmelskörper extremen Temperaturen. Die schwanken je nach Sonnenstand zwischen plus 130 und minus 150 Grad Celsius. Besonders eisig ist es in den polnahen Kratern, in die niemals Sonnenlicht fällt. Mit Temperaturen bis etwa minus 240 Grad Celsius zählen sie zu den kältesten Orten des Sonnensystems.

Wegen des ewigen Dauerfrosts vermuteten Forscher dort schon länger Reste von Wasser. Um den Verdacht zu prüfen, ließ die US-Weltraumbehörde NASA vor einem Jahr eine Raketenstufe in den Cabeus-Krater am Südpol einschlagen. Der Aufprall riss ein 30 Meter breites Loch, erhitzte den Grund auf etwa 700 Grad und beförderte eine gewaltige Rauchsäule aus der Dunkelheit ans Sonnenlicht.

Die dabei aufgezeichneten Daten haben US-Wissenschaftler in den letzten Monaten ausgewertet – mit überraschendem Resultat. Demnach wirbelte der Einschlag rund fünf Tonnen Material auf, darunter 155 Kilogramm Wasser. Etwa 5,6 Prozent der Kraterfüllung bestehe aus Wassereis, kalkulieren die Forscher. Damit könnten die Trichter am Südpol insgesamt etwa so viel Wasser enthalten wie der Bodensee, schätzt Ralf Jaumann vom Berliner Institut für Planetenforschung am Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Neben Wasser wiesen die US-Forscher in der Partikelwolke noch Dutzende andere Elemente und Verbindungen nach – darunter Kohlenmonoxid, Ammoniak, Kalzium, Magnesium und Silber. »Die größte Überraschung war der Nachweis von Quecksilber, das etwa in ähnlichem Maße vorkommt wie das entdeckte Wasser«, sagt Kurt Retherford vom Southwest Research Institute in San Antonio. »Dessen Giftigkeit könnte für bemannte Missionen ein Problem werden.« Die gefundenen Stoffe stammen von Kometen, Asteroiden und Meteoriten, die im Lauf von 4,5 Milliarden Jahren auf dem Mond einschlugen. Jene Moleküle, die dabei in den Krater gelangten, wurden in dieser Kältefalle für Äonen konserviert. »Dieser Ort ähnelt einer Fundgrube von Elementen und Verbindungen, die auf den Mond gekommen sind«, sagt Peter Schultz von der Brown Universität in Rhode Island.

Die reichhaltigen Wasserreservoire wären für bemannte Mondstationen grundsätzlich hochinteressant, sagt Planetenforscher Jaumann, müsste man das Nass doch nicht eigens von der Erde aus dorthin befördern. Aber ansonsten herrschen gerade am Südpol für solche Pläne denkbar ungünstige Bedingungen, denn das Areal ist eine extrem unzugängliche Hochgebirgsregion.

Interessanter für die Wasserversorgung könnte eine andere überraschende Entdeckung sein, die Forscher vor etwa einem Jahr machten. Wie die Wellenlänge des von der Mondoberfläche abgestrahlten Sonnenlichts zeigt, entstehen dort überall Verbindungen von Sauerstoff und Wasserstoff.

Ursache sind die Sonnenwinde, jener Strom positiv geladener Wasserstoff-Atome, den die Sonne stetig ausstößt. Diese Protonen bombardieren die Mondoberfläche mit einer Geschwindigkeit von rund 100 000 Kilometern pro Sekunde. Vermutlich lösen sie den im Boden gebundenen Sauerstoff, der sich dann mit dem Wasserstoff verbindet. Diese H-O-Verbindungen entstehen allerdings nur bei Kälte und zerfallen bei Wärme. »Man könnte den natürlichen Prozess in irgendeiner Form nutzen und den Vorgang vielleicht sogar beschleunigen«, sagt Jaumann. »Da entstehen zwar keine Wasserfälle, aber auf größeren Flächen könnten schon gewisse Mengen zusammenkommen.«

Letztlich offenbaren alle Erkenntnisse aber vor allem, wie wenig man über den Erdbegleiter weiß. »Dass es dort solche Mengen Wasser gibt, hätte noch vor fünf Jahren niemand für möglich gehalten«, sagt Jaumann. »Welche Wundertüte der Mond für die Menschheit noch bereithält, liegt derzeit außerhalb unserer Vorstellungskraft.«

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