Die falsche Enkelin

Silvio Berlusconi lässt minderjährige Gespielin aus Gefängnis holen

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein neuer Sexskandal erschüttert Italien. Aber die sexuellen Vorlieben des Ministerpräsidenten, die von der Presse so genüsslich beschrieben werden, sind in diesem Fall wirklich nur ekelhaftes Beiwerk. Tatsächlich geht es bei der Affäre um das Mädchen Ruby in erster Linie um etwas ganz anderes: Um Machtmissbrauch und die Lügen von Silvio Berlusconi.

In Mailand wurde letzte Woche ein 17-jähriges Mädchen ohne Papiere aufgegriffen, das von einer Frau beschuldigt wird, Geld und Schmuck gestohlen zu haben. Das Mädchen selbst – oder jemand anderes in ihrem Namen, das ist noch unklar – meldete sich beim italienischen Ministerpräsidenten und bat um Hilfe. Der wiederum beauftragte auch flugs den Chef seines Sicherheitsdienstes, im Polizeipräsidium anzurufen. »Ihr habt ein Mädchen festgenommen«, lautet der ungefähre Wortlaut des Telefonats, »und müsst sie schnellstens wieder laufen lassen. Es handelt sich um die Enkeltochter des ägyptischen Präsidenten Mubarak und ihre Festnahme kann zu diplomatischen Verwicklungen führen.« Man würde eine Regionalabgeordnete vorbeischicken, die das Mädchen abholt und für sie garantiert. Diese Parlamentarierin, eine gewisse Nicole Minetti, war übrigens einst Zahnarzthelferin und kümmerte sich um die Mundhygiene des italienischen Ministerpräsidenten …

Die Polizei stand stramm und war sofort gewillt, der Order aus Rom Folge zu leisten. Anders die an dem Abend zuständige Jugendrichterin, die zu Protokoll gab, sie habe dafür plädiert, besagte Ruby in eine betreute Wohnanlage zu überweisen.

Aber die Geschichte, die andernorts wohl sofort zum Rücktritt des Ministerpräsidenten geführt hätte, geht noch weiter. So wurde nun bekannt, dass Ruby, die zu Mubarak natürlich in keinerlei Verwandtschaftsverhältnis steht und wohl aus Marokko stammt, zusammen mit anderen Mädchen und jungen Frauen häufiger zu Gast in der Privatvilla von Berlusconi war. Sie hat erklärt, dass man dort nett gegessen und dann »Bunga Bunga« gemacht habe – was immer das auch sein mag.

Berlusconi hat das nicht bestritten und erklärte vor der Presse: »Ich liebe das Leben und die Frauen und werde meinen Lebensstil auch nicht ändern.« Als schwer arbeitender Politiker habe er ein Recht darauf, »entspannende Abende« in seiner Privatvilla zu verbringen.

Weiter wurde öffentlich, dass die Frauen, die an diesen Treffen teilgenommen haben, schon präventiv eine eidesstattliche Erklärung abgeben mussten, dass es an diesen »entspannenden Abenden« zu keinerlei sexuellen Handlungen gekommen sei und schon gar nicht mit Silvio Berlusconi. Aufgenommen wurden diese Erklärungen von Berlusconis Anwalt Niccolò Ghedini, der gleichzeitig auch Parlamentarier ist.

Die ganze Geschichte könnte man einfach nur als abstoßend abheften. Sie zeigt jedoch die Erpressbarkeit des Regierungschefs. Und der antwortet auch noch mit der Überschreitung seiner Machtkompetenz für private Interessen. In Italien winden sich Berlusconis Bündnispartner nun, während die Opposition den Rücktritt des Mannes fordert, der auch für ein demokratisches Europa von Tag zu Tag immer weniger tragbar wird.

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