• Politik
  • Focus: Anti-Castor-Proteste

Tagebuch

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 2 Min.

Als 1995 der erste Castortransport nach Gorleben rollte, betrieben die Protagonisten nur rudimentär Pressearbeit. In der Pressestelle der Polizei saßen grade mal drei knurrige Beamte, die Journalisten eher widerwillig Auskunft gaben. Die personell nicht besser ausgestattete Presseabteilung der Bürgerinitiativen residierte in einem baufälligen Wohnwagen und verfügte grade mal über ein Handy. Beide Seiten haben seitdem mächtig aufgerüstet. Die Atomkraftgegner versenden täglich dutzende Pressemitteilungen, ihre SMS-Ticker liefern rund um die Uhr Informationen über das Protest-Geschehen. Die BI kutschiert Reporter auf Wunsch mit einem eigenen Pressebus zu den Brennpunkten, »X-tausendmal quer« betreut Medienleute in einer »Presselounge« in Dannenberg – Kaffee, Gebäck und WLAN inclusive. In der Castor-Pressestelle von Polizei und Bundespolizei arbeiten fast hundert Frauen und Männer. Der Ton ist höflich, Interview-Partner werden schnell vermittelt.

Im Einsatzgebiet sieht das oft anders aus. Journalisten werden häufig an Polizeisperren aufgehalten, wenn sie nicht über eine Sonderakkreditierung der Einsatzleitung verfügen. Seit 2008 werden die Ausweise auf Antrag ausgestellt. »Die Akkreditierung erfolgt auf freiwilliger Basis und ist keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Medienrechten im Einsatzraum«, heißt es in den Anträgen. Viele Kolleg/inn/en lehnen diese Extra-Akkreditierung ab, weil sie darin eine unzulässige Beschränkung ihrer Journalistenrechte sehen. Schließlich gibt es Presseausweise, um sich gegenüber der Polizei zu legitimieren. In der Praxis genießen im Wendland oft die Journalisten eine Vorzugsbehandlung, die der Polizei vorher im Antrag ihre Daten genannt haben.

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