Ausgezeichnete erste Ballversuche

Sportverein Blau-Weiß Hohen Neuendorf erhielt einen Preis für seine Integrationsarbeit

Die Minis beim Training und danach.
Die Minis beim Training und danach.

Nachwuchssorgen kennt Blau-Weiß Hohen Neuendorf beim Fußball nicht. Der Verein kümmert sich vorbildlich um die jüngsten Kicker.

Marek konnte den Ball nicht halten. Der Schuss war präzise aufs rechte Eck gezielt, und der kleine Torwart zappelt nun zusammen mit dem Ball im Netz. Sein Freund Vincent ruft noch: »Marek, nicht weinen.« Aber es ist zu spät. Der kleine Blondschopf mit den riesigen Torwarthandschuhen heult und flucht: Nie wieder wolle er ins Tor gehen. »Nie wieder!« Trainer Matthias Rink eilt herbei und tröstet. Dabei verpasst Marek den Ausgleich seiner Mannschaft zum 3:3.

So läuft Training bei den Minis von Blau-Weiß Hohen Neuendorf. Seit dem Sommer spielen 4- und 5-Jährige Fußball in der G-Jugend. Marek habe seine neuen Torwarthandschuhe ausprobieren wollen; deshalb stehe er im Tor, erklärt die Mutter. Zusammen mit 20 anderen Eltern steht sie am Spielfeldrand und schaut zu. Woche für Woche kommen mehr als 20 Kinder zum Training auf die Sportanlage Niederheide.

Darauf ist Ulrike Urbatzka stolz. Im Sommer, während der Weltmeisterschaft in Südafrika, hat sie eine Mini-WM organisiert. Rund 100 Kinder nahmen daran teil und traten in sieben Mannschaften gegeneinander an. Für viele war das Turnier der Startschuss fürs Fußballspielen. Bei die Mini-WM arbeiteten Sportverein und Kindergärten eng zusammen: Jedes Team war eine Nation aus Afrika, und die Spieler erschlossen sich ihr Land in den Kindergartengruppen: Team Ägypten schrieb sich die Namen in Hieroglyphen auf die Trikots und Team Madagaskar schneiderte eine Schlange aus Stoff als Maskottchen. Das tauften sie auf den Namen Heiko.

Die Kreativität fand viel Anerkennung: Im Oktober zeichnete der Berliner Fußballverband den Sportverein für das Turnier mit einem Integrationspreis aus. Das mag verwundern, denn die Berliner Problemkieze sind eigentlich anderswo. Hohen Neuendorf liegt im Umland der Hauptstadt, gehört zu Brandenburg. Es ist ein Zuzugsgebiet. Hier bauen bevorzugt Berliner auf der Suche nach einer heilen Welt Einfamilienhäuser. »Wir haben bei uns keine sozialen Brennpunkte«, sagt denn auch der Bürgermeister Klaus-Dieter Hartung (LINKE). Für die jungen Fußballer aus Hohen Neuendorf seien dagegen Auswärtsspiele in Neukölln oder Wedding Entdeckungsreisen in andere Milieus, meint er. »Der Sport fungiert als Türöffner.«

Das möchte Hartung nach Kräften unterstützen. Deshalb ehrte auch er Ulrike Urbatzka für die Mini-WM vor einer Ratssitzung. »Vom ehrenamtlichen Engagement in den Vereinen lebt die Stadt«, betonte er vor der versammelten Lokalpolitik. Seine Aufgabe sieht der Bürgermeister darin, dafür eine Infrastruktur zu schaffen. Manchmal sei das in Hohen Neuendorf nicht einfach, gesteht er in einer ruhigen Minute in seinem Arbeitszimmer. Schließlich wachse die Stadt Jahr für Jahr um rund 1000 Einwohner.

Auch der Fußballverein Blau-Weiß hat regen Zulauf. Mittlerweile gibt es 26 Mannschaften. Jürgen Teßmann, der stellvertretende Vereinsvorsitzende, setzt darauf, dass der Fußball die Neuankömmlinge integriert. Doch wenn sich so viele Mannschaften drei Plätze auf der Sportanlage Niederheide teilen, kommt es zu Engpässen. »Gerade abends trainieren meistens mehrere Teams auf einem Feld«, sagt Urbatzka. Doch die Minis haben an diesem Sonnabendvormittag einen ganzes Feld für sich. Zum letzten Mal, bevor die Hallensaison beginnt.

Jürgen Teßmann redet gerne über die sportlichen Erfolge von Blau-Weiß und hebt dabei ein ums andere Mal den Frauenfußball hervor. Das erste Team spielt in der Regionalliga. Aber Fußball in Hohen Neuendorf ist mehr als Leistungssport. Er weiß es zu schätzen, wenn jetzt unverhofft die Jüngsten zum Aushängeschild geworden sind. »Nachwuchssorgen haben wir nicht«, meint der Vizevorsitzende.

Ulrike Urbatzka könnte dem Satz nur bedingt zustimmen: Denn unter den 21 Kindern der G-Jugend beim Training auf dem Kunstrasenplatz ist kein einziges Mädchen. Die Jungen spielen robusten Fußball, was die Mädchen zurückhalte, meint Urbatzka und sieht Handlungsbedarf. Im nächsten Jahr, wenn in Deutschland die Frauen-WM stattfindet, will sie parallel dazu wieder eine Mini-WM organisieren. Eine für Mädchen aus den Hortgruppen.

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