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100 000 Funde im Magdeburger Dom

Archäologen fürchten um wissenschaftliche Aufarbeitung der vierjährigen Grabungen

  • Thomas Nawrath, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Archäologen haben ihre jahrelangen Grabungen im Magdeburger Dom beendet. Sie fanden dabei weit mehr als die schlagzeilenträchtigen Gebeine von Königin Editha. Viele Funde müssen noch wissenschaftlich ausgewertet werden, Archäologen sehen das aber noch nicht gesichert.

Auch zum Abschluss der seit 2006 laufenden Forschungsgrabung im Magdeburger Dom gab es einen überraschenden Befund: Drei Meter unter dem heutigen Fußboden der Kathedrale stießen die Archäologen auf Fußboden- und Mauerreste einer etwa 1000 Jahre alten Krypta. »Diese maß rund acht mal sieben Meter und lag im Westen der Vorgängerkirche«, sagte Projektleiter Rainer Kuhn von der Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt der Deutschen Presse-Agentur in Magdeburg.

»Insgesamt förderte unsere vierjährige Grabung mehr als 100 000 Fundstücke zutage, deren Auswertung bis zu zehn Jahre in Anspruch nehmen wird.« Für Furore hatte vor zwei Jahren der Fund der Gebeine von Königin Editha (910-946) gesorgt, der ersten Gemahlin von Kaiser Otto I. (912-973). Vor drei Wochen wurde diese »Lady Di des Mittelalters« wieder feierlich im Dom beigesetzt. Magdeburg hatte sich im 10. Jahrhundert trotz seiner ursprünglichen Grenzlage im Nordosten des ostfränkisch-deutschen Königreiches zu einem bevorzugten Aufenthaltsort der ottonischen Herrscher entwickelt. Am Beginn dieser Entwicklung standen der spätere König und Kaiser Otto I. und seine Gemahlin Editha, die 937 am Elbufer das Mauritiuskloster gegründet hatten.

Projektleiter Kuhn ist skeptisch, dass die Aufarbeitung der Funde mit den erfahrenen Mitgliedern seines Grabungsteams ab Januar 2011 abgesichert werden kann. »Momentan sehe ich noch keine Lösung, da die Gelder dafür bisher nicht bewilligt wurden.« Ein Auseinanderbrechen der Expertengruppe sei zu befürchten.

Dabei loben alle die hervorragende Arbeit der Archäologen. »Dank der nun beendeten Ausgrabung wissen wir, dass es unter dem bis heute erhaltenen gotischen Dom bereits einen großen Vorgängerbau mit 33,50 Metern Breite gegeben hat«, sagt der Leiter der Forschergruppe, Professor Wolfgang Schenkluhn von der Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg. Zudem konnten umfangreiche Erkenntnisse zu Größe und Chronologie dieser älteren Kirche und deren Ausstattung gewonnen werden.

Bereits in den Jahren 2001 bis 2003 hatte das Grabungsteam von Rainer Kuhn nur einen Steinwurf nördlich des gotischen Doms eine zuvor unbekannte Kathedrale aus der Zeit Ottos I. nachgewiesen. Die jüngsten Grabungsergebnisse belegen, dass um das Jahr 1000 auf dem Magdeburger Domhügel zwei imposante Kathedralen gethront hatten. »Wir sprechen deshalb von einer ottonisch-romanischen Doppelkirchenanlage, wobei beide Gotteshäuser zu ihrer Zeit zu den größten und eindrucksvollsten Kirchen nördlich der Alpen gehört haben«, erläutert der Archäologe.

»Für die Wissenschaft am bedeutendsten ist jedoch die Bestattung von Erzbischof Wichmann (um 1115-1192), einem wichtigen Berater von Kaiser Friedrich Barbarossa«, sagt Kuhn. »Mit seinen überraschend gut erhaltenen Textilien und Beigaben ist dies der wichtigste sakrale Grabfund der vergangenen 70 Jahre in Deutschland.« Unter Wichmann wurde das Magdeburger Stadtrecht begründet, das die bürgerliche Selbstverwaltung vieler Städte in Mittel- und Osteuropa begünstigt hat.

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