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Der Niedergang des »Berlusconismus«

Italien erwartet jedoch neue Winkelzüge des Premiers

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi will nun selbst in beiden Häusern des Parlaments die Vertrauensfrage stellen. Zuvor müsse allerdings das Haushalts- und Stabilitätsgesetz für 2011 endgültig verabschiedet sein, forderte der Premier. Danach werde er sofort um das Vertrauen der Parlamentarier werben.

Die italienische Regierung ist am Ende – und mit ihr erlebt der »Berlusconismus« seinen Niedergang. Die Frage ist nur, wann und wie der Schlussstrich gezogen wird und ob und welches Kaninchen Silvio Berlusconi noch aus dem Hut zaubern wird, um die eigene Laufzeit zu verlängern.

Mindestens zwei Faktoren haben zur Krise dieser Regierung geführt. Zum einen die Tatsache, dass Gianfranco Fini mit seinem früheren Mentor Silvio Berlusconi gebrochen und eine eigene Partei gegründet hat, die den Rücktritt des Ministerpräsidenten fordert. Dadurch haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Parlament verändert. Vor allem aber hat Berlusconi die Aura der Unverwundbarkeit verloren. Plötzlich ist klar geworden, dass der Unternehmer aus Mailand nicht jedes Problem witzelnd lösen kann, dass er nicht alles und jeden in der Hand hat.

Was immer Berlusconi noch versuchen wird, um an der Macht zu bleiben: Der Mann, der sich einst als »von Gott gesalbt« bezeichnete, erscheint in den Augen der Öffentlichkeit als das, was er tatsächlich ist: ein ältlicher, mehrfach gelifteter kleiner Mann, der mit mehr oder weniger sauberen Geschäften und Beziehungen zu viel Geld gekommen ist und sich wie alle anderen in den Niederungen der Politik herumschlagen muss.

Und das ist der zweite Grund: Italien geht es ökonomisch und sozial schlecht, die Wirtschaft stagniert, die Arbeitslosigkeit wächst, die Kulturdenkmäler stürzen ein und die Städte versinken im Müll. Der rosarote Schleier, den Berlusconi bisher auch mit Hilfe seiner Medien über diese Situation gebreitet hatte, ist zerrissen und plötzlich kann jeder den Dreck sehen, der darunter liegt. Immer mehr Mitläufer und Opportunisten verlassen das sinkende Schiff und vielleicht merken auch einige Getreue, welcher Illusion sie aufgesessen sind.

Trotzdem können die kommenden Wochen und Monate noch Überraschungen bringen. Erst einmal müsste das Parlament der Regierung das Misstrauen aussprechen. Das wird in der Abgeordnetenkammer wahrscheinlich in den nächsten Tagen geschehen. Im Senat, der zweiten Kammer, ist die Lage aber nicht so eindeutig. Dort könnte es Berlusconi gelingen, eine knappe Mehrheit auf seine Seite zu ziehen. Das würde dazu führen, dass nur die Hälfte des gewählten Parlaments regierungstreu ist.

Berlusconi will Neuwahlen. Er hofft, dass er dank dem gültigen Wahlgesetz und dem Charisma, das ihm geblieben ist, die Geschäfte weiterführen kann und wieder als Spitzenkandidat aufgestellt wird. Aber am 13. Dezember wird das Verfassungsgericht entscheiden, ob der Ministerpräsident während seiner Amtszeit wegen Bestechung, Steuerhinterziehung und anderer Vergehen belangt werden kann. Wenn ja, beginnen am folgenden Tag wieder die Prozesse gegen Berlusconi, einer Verurteilung steht in diesem Fall wohl nichts mehr im Weg. Etliche Italiener glauben, dass Berlusconi in diesem Fall – wie einst Bettino Craxi – das Land verlassen wird. Andere Beobachter meinen, er werde »das Volk« auf die Straße rufen, um sich verteidigen zu lassen. Fragt sich nur, wie viel Zeit Italien noch hat, bevor es Bankrott anmelden muss.

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