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Im Gehege

Die Welt des Heinrich Dathe

  • Norbert Podewin
  • Lesedauer: 2 Min.

Persönliche Eckdaten solcher Art sind rar: gebürtiger Vogtländer, als Mitvierziger in der Hauptstadt Berlin »eingebürgert« – und bald darauf schon von Rügen bis zum Erzgebirge ein Begriff. Auch nach dem Ableben am 6. Januar 1991 ist er unvergessen, verschmelzen doch allenthalben Name und Lebenswerk: Dathe = Tierpark!

Klaus Huhn, als Publizist dem Zoologen über Jahrzehnte freundschaftlich nahe, hat mosaikartig Episoden so lesenswert »gebündelt«, dass man sich in das berichtete Geschehen eingebunden fühlt. Man ist dabei, wenn tagelang ein entflohener Geiervogel in Berlin gejagt und letztendlich wieder ins Gehege heimgeholt wird. Schmunzelnd verfolgt man den Versuch, ein Pferd »eigeninitiativ« und vergeblich über U- und S-Bahn und schließlich per Straßenbahn in den Tierpark zu expedieren; es blieb letztlich nur der Fußmarsch nach Friedrichsfelde. Der Autor skizziert auch die zahllosen staunenswerten Aktionen von Betriebsbelegschaften und Einzelpersonen zum Auf- und Ausbau ihres Tierparks, der ohne amtliches Signum bürgerseitig als Volkseigentum angenommen war.

Mit dem Datum 3. Oktober 1990 wurden auch hier die »Uhren« anders eingestellt – in Sachen Heinrich Dathe ein »rechtsstaatlich« gedeckter, faktisch krimineller Vorgang, der den international geachteten Tierfreund und -experten ins Grab brachte, wie Huhn vermerkt. Obwohl vertraglich auf Lebenszeit an den Tierpark gebunden, schickte man ihm am 10. Dezember mit Hinweis auf sein Alter und die Bestimmungen des deutschen Einigungsvertrages eine auf Vollzug innerhalb von vier Tagen lautende Kündigung. Der abschließende amtliche Senats-Bescheid beharrte: »Leider müssen wir Sie auch anweisen, bis Ende des Monats Ihre Dienstwohnung zu räumen.« Die Tierpark-Legende zeigte sich ein letztes Mal unangepasst: »Dathe überzog den Kündigungstermin um sechs Tage – er verließ seine Dienstwohnung im Sarg!«

Späte amtliche Retuschen in Form einer Gedenktafel und eines Heinrich-Dathe-Platzes verdanken sich Bürgerinitiativen sowie zahlreichen Interventionen von Persönlichkeiten, die seinen Tierpark als ein Kleinod der deutschen Hauptstadt werten und bewahren wollen.

Klaus Huhn: Heinrich Dathe und sein Denkmal Tierpark. Verlag Wiljo Heinen. 110 S., br., 5,50 €

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