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Über den Wolken ...

Walter Lehweß-Litzmann – vom Stuka zur Interflug

  • Hans Rehfeldt
  • Lesedauer: 3 Min.

Einem seit 1943 in der Sowjetunion kriegsgefangenen deutschen Fliegeroberst soll das ihm verliehene Ritterkreuz von einem sowjetischen Oberst im Lager überreicht worden sein? So unwahrscheinlich es klingt – das gab es wirklich. Walter Lehweß-Litzmann war nach seinem Absturz als Stuka-Pilot, bis zum Kriegsende, der ranghöchste Luftwaffenoffizier in sowjetischer Gefangenschaft. Hier begann bei ihm, wie bei vielen tausend anderen deutschen Kriegsgefangenen auch, das gründliche Nachdenken über die Ursachen des Krieges, der von Deutschland ausging. Hier wurde ihnen klar, für welche verbrecherischen Ziele die Nazis sie missbraucht hatten.

Der deutsche Fliegeroberst schloss sich dem Bund der Offiziere an, der unter dem Dach des Nationalkomitees Freies Deutschland zum Widerstand gegen die Naziherrschaft aufrief. Als er dies sogar über den Moskauer Rundfunk tat, wurde ihm das bisher noch nicht übergebene Ritterkreuz aberkannt. Deshalb die Überreichung durch den sowjetischen Oberst, als Ausdruck großer Wertschätzung für seine aufrichtige und gründliche Wandlung vom Nazioffizier zum Antifaschisten (der er bis zu seinem Lebensende blieb). In der Sowjetunion lebende deutsche kommunistische Emigranten wie Rudolf Herrnstadt und der Antifaschist Heinz Kessler teilten diese Einschätzung. Auf Vorschlag Herrnstadts, bislang Chefredakteur der Zeitung des Nationalkomitees »Freies Deutschland«, der kurz nach Kriegsende in Berlin die »Berliner Zeitung« ins Leben rief, wurde Lehweß-Litzmann im Dezember 1945 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, um als Redakteur für Militär- und Deutschlandpolitik zu arbeiten. Er öffnet seinen Lesern die Augen über die Ursachen, die zu Millionen Toten und der Zertrümmerung fast ganz Europas geführt haben.

Als der Kalte Krieg von den Westmächten gegen die Sowjetunion immer mehr verschärft wurde, sollten auch in der 1949 gegründeten DDR bewaffnete Kräfte geschaffen werden. Zunächst ging es um die Kasernierte Volkspolizei, zu der auch Bereitschaften zur Luftraumsicherung gehören sollten. Damit wurde Heinz Kessler betraut. Er brauchte dafür fachlich und politisch geeignete Fachleute. Aus Moskau wurde ihm angeraten, nicht auf erfahrene Kriegsteilnehmer wie Lehweß-Litzmann zu verzichten. Er half nun mit, eine neue Fliegergeneration auszubilden. Es ist spannend zu lesen wie das vor sich ging.

Im Buch schildert Walter Lehweß-Litzmanns Sohn Jörn, der bis zuletzt in der Interflug Technischer Leiter des Fliegertrainigszentrums in Berlin-Schönefeld war, wie sein Vater am Aufbau der DDR-Luftverteidigung und danach an der Schaffung der zivilen Luftfahrt der DDR maßgeblich beteiligt war. Offen werden auch die politischen und technischen Probleme dieser Zeit geschildert.

In diesem Buch wird nicht nur den Gründern der DDR-Luftfahrt wie Artur Pieck, Fritz Horn, Rolf Heinig und vielen anderen ein lesenswertes Denkmal gesetzt, man erfährt bisher nicht bekannte, sehr aufschlussreiche Hintergründe der DDR-Geschichte.

Wer sich für die Luftfahrt interessiert, sollte dieses Buch unbedingt lesen. Bedauerlich nur: Im letzten Drittel häufen sich leider Satz- und Druckfehler.

Jörn Lehweß-Litzmann: Die Gründer der DDR-Luftfahrt. Militärverlag. 286 S., br., 14,95 €

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