Zahlte BND jahrelang Schweigegeld?

»Curveball«-Lüge: Geheimdienst verschaffte Stichwortgeber für den Irak-Krieg deutschen Pass

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat seinem einstigen Informanten Rafid Ahmed Alwan (Deckname »Curveball«) auch noch gut fünf Jahre nach dessen Enttarnung als dreister Lügner mit Geld und anderen Vergünstigungen versorgt. Der Skandal ruft nach der Aufmerksamkeit von Staatsanwälten und Parlamentariern.

Heute Abend zeigen die NDR-Kollegen von »Panorama« eine Dokumentation unter dem Titel »Die Lügen vom Dienst – der BND und der Irakkrieg«. Wieder versuchen Journalisten, Parlamentarier – in diesem Fall die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) – zur Jagd zu tragen.

Es geht um den Fall »Curveball«. Hinter diesem Decknamen verbirgt sich ein irakischer Informant des BND. Er war 1999 nach Deutschland gekommen, hatte Kontakt zum BND gefunden und den Geheimdienstlern die wildesten Lügengeschichten über ein angebliches irakisches Biowaffenprogramm erzählt. Der Chemie-Ingenieur wurde ausgequetscht. Über 100 schriftliche Berichte reichte der BND an die CIA weiter, dann schickten sie die Quelle, an deren Glaubwürdigkeit der deutsche Dienst selbst erhebliche Zweifel hatte, zu den US-Kollegen.

Für die USA lieferte »Curveball« dann den einzig »zuverlässigen« Grund für den Überfall auf Irak – so Ex-Außenminister Colin Powell, der das Märchen von Saddams mobilen B-Waffen-Laboren im Februar 2003 vor der UNO ausbreitete. Für Powell ist dieser Auftritt »der Schandfleck« seiner Karriere als Soldat und Politiker. Der BND hat zumindest mitgekleckert.

Spätestens seit einer Veröffentlichung am 20. November 2005 in der »Los Angeles Times« ist klar, dass Alwan gelogen hat. Dennoch zahlte ihm der BND bis Ende 2008 weiter 3000 Euro monatlich. Laut »Panorama« ging das zehn Jahre so. Die Zahlungen erledigte eine Münchner Tarnfirma namens Thiele und Friedrichs. Nach Einstellung der Zuwendungen klagte der Lügner vor dem Münchner Arbeitsgericht, man einigte sich auf eine Abfindung von 2000 Euro. Danach bezog der Mann Sozialhilfe in Höhe von knapp 1600 Euro.

Alwan hat dank BND auch die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Er lebt heute angeblich in Karlsruhe. Da liegt es nahe, dass sich die Bundesanwaltschaft um ihn und seine staatlichen Gönner kümmert. Schließlich sind »Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten«, verfassungswidrig. Entsprechend hält Paragraf 80 des Strafgesetzbuches eine Haft zwischen zehn Jahren und lebenslänglich parat.

Das geheim tagende PKGr – ihm gehören vier Unions-, drei SPD- und zwei FDP-Abgeordnete sowie je ein Parlamentarier der Grünen und der LINKEN an – könnte sich mit der Frage beschäftigen, wieso »Curveball« Schweigegeld bekam. Will man die Rolle des BND bei der Vorbereitung des – offiziell von Deutschland abgelehnten – Irak-Krieges vertuschen? Oder soll nicht herauskommen, wie der BND gelinkt wurde? War es die CIA selbst, die Alwan via oppositionellen irakischen Nationalkongress zu den deutschen Schlapphüten geschickt hat, um so einen unverdächtigen »Echoraum« zu schaffen?

Einzig das PKGr-Mitglied Christian Ströbele (Grüne) verspürt bislang den Drang zur Nachfrage. Die Union würde zwar gern den SPD-treuen BND-Präsidenten Uhrlau loswerden, findet aber keinen Ersatz. Die SPD wird schweigen. Der Skandal lief zu ihren Regierungszeiten ab, als der aktuelle Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier Kanzleramtschef und für Geheimdienstaufsicht zuständig war.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal