ThyssenKrupp in Brasilien angeklagt
Staatsanwaltschaft spricht von massiven Umweltverstößen des Stahlwerkbetreibers
Seit Betriebsstart im Juni 2010 habe das Stahlwerk Companhia Siderúrgica do Atlântico (CSA) weit über zulässigen Grenzwerten liegende Schadstoffe in die Umgebung abgegeben. Die Staatsanwaltschaft stützt sich dabei auf ein Gutachten des Instituts für Geowissenschaften der Bundesuniversität Rio de Janeiro, demzufolge die zulässigen Grenzwerte in der Umgebung des Stahlwerks bei einigen Schadstoffen teilweise bis zu 600 Prozent überschritten wurden. Die vom Stahlwerk ausgestoßenen Schadstoffe stellten eine »Bedrohung der menschlichen Gesundheit dar, vor allem für die direkten Anwohner im Gebiet von Santa Cruz«, so die Staatsanwaltschaft von Rio.
»Ein Stahlwerk der Ausmaße wie CSA, das in 2010 fertiggestellt wurde, darf es nicht unterlassen, angemessene Sicherheits- und Kontrolltechnologie einzubauen, die dazu dienen sollte, jegliche Emission von Schadstoffen in Luft und Wasser vorzubeugen und zu kontrollieren«, sagte der Staatsanwalt Daniel Lima Ribeiro. Sollten die Vorwürfe gerichtlich bestätigt werden, so drohen den Projektverantwortlichen bis zu 19 Jahre Haft. Zudem drohen eine Strafzahlung, die komplette oder partielle Schließung der Anlage sowie der zeitweise Ausschluss von Staatsaufträgen für einen Zeitraum von fünf Jahren sowie die Aberkennung von Steuererleichterungen.
Anwohner des Stahlwerks hatten Umweltverstöße angezeigt. Die Staatsanwaltschaft teilte weiter mit, dass in der nun angelaufenen Klage gegen das Stahlwerk auch die Vorwürfe, der Werkschutz des Unternehmens setze sich aus so- genannten Mafiamilizen zusammen, Gegenstand der Untersuchung sein werde. Die seit 2007 gegen das Stahlwerk protestierenden Fischer, denen durch den Bau ihre Lebensgrundlage geraubt wurde, hatten seit 2008 wiederholt von Bedrohungen durch diese in der Region herrschenden paramilitärischen Gruppen berichtet. Nach Medienangaben fordern bisher 5763 Fischer vor den Zivilgerichten in Rio Entschädigungen für Verdienstausfälle in einer Gesamthöhe von bis zu 756 Millionen Euro.
Lieferungen an das umstrittene Stahlwerk waren auch mit staatlichen Hermesbürgschaften in Höhe von 200 000 Euro abgesichert worden. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf schriftliche Fragen der Bundestagsabgeordneten Ute Koczy (Bündnis90/Die Grünen) hervor. »Die Anklageerhebung ist eine Ohrfeige für die Bundesregierung, die nicht müde wird zu betonen, dass ihre Umweltprüfung bei der Vergabe von Hermesbürgschaften höchsten Standards genügt«, kommentiert Heike Drillisch von der Initiative GegenStrömung, die sich gemeinsam mit Partnerorganisationen für eine Reform der Bürgschaftsvergabe einsetzt.
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