Wer übt die Macht aus in Bagdad?

Thomas Nord (LINKE) weilte mit einer Delegation in Irak / Thomas Nord ist Bundestagsabgeordneter der LINKEN und Mitglied des Ausschusses für die Angelegenheiten der EU

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Wer übt die Macht aus in Bagdad?

ND: Sie haben sich bisher nicht so sehr mit Nahostpolitik beschäftigt. Was hat Sie veranlasst, jetzt nach Irak zu reisen?
Nord: Das ist relativ simpel: Ich habe meinen Kollegen Wolfgang Gehrcke vertreten, der leider nicht mit der Delegation des Außenministers mitreisen konnte.

Welche Gesprächspartner hatten Sie in Bagdad?
Wichtige Staats- und Regierungsvertreter: Parlamentspräsident Osama al-Nujeifi, Staatspräsident Jalal Talabani und verschiedene Minister. Hauptanlass der Reise war der Abschluss eines Investitionsschutzabkommens. Das ist auch unterzeichnet worden.

Was sollte denn das offizielle Deutschland Ihrer Meinung nach in und für Irak unternehmen, und was geschieht tatsächlich?
Deutschland genießt in Irak einen ausgezeichneten Ruf. Das hat damit zu tun, dass Deutschland in der Vergangenheit keine Kolonialmacht in Irak war, aber vor allem damit, dass sich Deutschland nicht am Irak-Krieg der USA beteiligt hat; insofern ein gutes Beispiel dafür, wie sehr es von Vorteil sein kann, sich einer friedlichen Außenpolitik zu verpflichten.

Sie haben gerade den Krieg angesprochen. Erst vorige Woche ging die Geschichte eines vom Bundesnachrichtendienst bezahlten Exil-Irakers durch die Medien. Dieser hatte 2003 Lügen über angebliche Massenvernichtungswaffen Bagdads verbreitet, was von den USA als willkommener Anlass für ihre Invasion instrumentalisiert wurde. Sollte das Ihrer Meinung nach in Berlin noch ein parlamentarisches Nachspiel haben?
Ich denke schon, dass untersucht werden sollte, ob so der Krieg mit ausgelöst worden ist. Das ist eine Aufgabe, der sich der Deutsche Bundestag aus meiner Sicht stellen sollte.

Sie haben die Regierungsbildung in Bagdad angesprochen. Welchen Eindruck haben Sie denn, wer im Moment in diesem Lande reale Macht ausübt?
Ministerpräsident Nuri al-Maliki ist – das wurde sehr deutlich – bemüht, mit den wesentlichen politischen Kräften in Irak zu einer Politik des nationalen Ausgleichs zu kommen. Das ist offensichtlich sehr schwierig und mühsam. Zugleich habe ich den Eindruck, dass diese Politik zu Fortschritten führt. Hauptproblem ist die Herstellung der öffentlichen Sicherheit. In den wenigen Stunden, in denen wir in Bagdad waren, wurden dort 13 Menschen Opfer durch Terror. Die Stadt ist durch massive Präsenz von irakischer Armee und Polizei gekennzeichnet. Praktisch an jeder Kreuzung stehen Panzer. Wir konnten uns nur mit einem gepanzerten Konvoi durch die Stadt bewegen. Mehr braucht man wohl nicht zu sagen.

Das offizielle Deutschland sorgt sich öffentlich sehr um die von Terror bedrohten Christen in Irak. Vor kurzem hat auch ein irakisches Gericht ein Todesurteil gegen den einstigen Vizepräsidenten Tariq Aziz verhängt. Ist das von der deutschen Delegation angesprochen worden?
Nein, dieser Fall speziell nicht. Gleichwohl war die Situation der Christen Gegenstand der Gespräche. Wir sprachen mit hochrangigen Vertretern des christlichen Glaubens. Und wichtig war ihnen, deutlich zu machen, dass sie sich nicht als christliche Minderheit verstehen, sondern als Iraker christlichen Glaubens, die eine sehr lange Geschichte in Irak haben und die nicht besser, aber auch nicht schlechter behandelt werden wollen als alle anderen Bevölkerungsgruppen.

Gespräch: Roland Etzel

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