Steinerweichendes Schleifen

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Obwohl es doch kein härteres Material in der irdischen Natur gibt, gelingt es den Menschen schon seit Jahrhunderten, Diamanten zu schleifen. Wie das möglich ist, das hat jetzt ein Team um Lars Pastewka und Michael Moseler vom Freiburger Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM im Fachblatt »Nature Materials« (online, DOI: 10.1038/nmat2902) beschrieben. Das Ergebnis bringt Michael Moseler für Laien so auf den Punkt: »In dem Moment, in dem der Diamant geschliffen wird, ist der Diamant kein Diamant mehr.« In einem mechano-chemischen Prozess entstehe – durch die schnelle Reibung zwischen den Diamantsplittern in der Schleifscheibe und dem Rohdiamanten – eine »glasartige Kohlenstoffphase« auf der Edelsteinoberfläche. Das neu entstandene Material auf der Diamantoberfläche, so Moseler, werde letztlich auf zweierlei Wegen »abgeschält«: Der Hobeleffekt der scharfkantigen Diamantsplitter im Rad kratze kontinuierlich kleine Kohlenstoff-Staubpartikel von der Oberfläche ab, was im Urzustand so gar nicht möglich wäre, weil der Diamant viel zu hart und die Bindungskräfte daher viel zu hoch wären. Den zweiten, genauso bedeutenden Angriff auf die sonst undurchdringlich harte Kristalloberfläche übernimmt der Sauerstoff in der Luft. Dessen Moleküle binden jeweils ein Kohlenstoffatom aus den labilen, langen Kohlenstoffketten, die sich oben auf der glasigen Phase gebildet haben (rechts im Bild). Es entsteht Kohlendioxid.

Die Materialforscher haben die Kraftfelder zwischen den Atomen der Diamantoberfläche quantenmechanisch analysiert und auf dieser Grundlage ein Computermodell von rund 10 000 Diamantatomen berechnet und beim virtuellen Schleifen beobachtet. Tatsächlich kann ihr Modell sämtliche Prozesse des staubigen und nicht nur deshalb lange undurchsichtigen Diamantschleifens erklären. Das entwickelte Modell ist nicht nur ein Meilenstein in der Diamantforschung, »es demonstriert vielmehr auch, wie mit modernen Methoden der Werkstoffsimulation Reibungs- und Verschleißprozesse von der atomaren Ebene bis zum makroskopischen Objekt exakt beschrieben werden können«, meint Institutsleiter Peter Gumbsch. Er sieht dies als ein Beispiel aus der Vielzahl von Verschleißfragen, die in der Industrie noch auf eine Lösung warten. StS

Grafik: Fraunhofer IWM

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