»Ich habe heute ein Bio-Ei gegessen«

über die Risiken von Dioxin in Lebensmitteln

  • Lesedauer: 3 Min.
Reinhild Benning, Jahrgang 1970, ist ausgebildete Landwirtin. Seit 2003 ist sie Agrarexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).
Reinhild Benning, Jahrgang 1970, ist ausgebildete Landwirtin. Seit 2003 ist sie Agrarexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

ND: Sind Dioxin-Eier gefährlich?
Benning: Von einem einzelnen Ei wird kein Verbraucher direkt erkranken oder tot umfallen. Aber vermutlich sind schon seit November und Dezember Eier mit Dioxin-Belastung im Handel. Wer seitdem täglich ein Ei gegessen hat, kann schon eine relevante Menge Dioxin aufgenommen haben.

Welche Langzeitwirkungen kann die regelmäßige Aufnahme geringer Mengen von Dioxin haben?
Das Dioxin reichert sich im Körperfett an und wird nur sehr langsam abgebaut. Die Gefahren steigen mit jedem zusätzlichen Pikogramm Dioxin, das man aufnimmt. Insofern besteht tatsächlich die Möglichkeit, dass die Aufnahme in der Summe nach und nach gesundheitsschädlich, etwa krebserregend, wirkt.

Das Umweltbundesamt führt eine Liste mit der durchschnittlichen Dioxinbelastung von Lebensmitteln. Nehmen wir ohnehin täglich Dioxin zu uns?
Nein, so selbstverständlich ist es nicht. Zwar kann das Gift überall vorkommen. Es entsteht bei der Pestizidherstellung oder gelangt durch Verbrennung in die Luft und von dort in Böden und Gewässer. Aber ob wir es aufnehmen, hängt davon ab, wie stark die Lebensmittel kontrolliert werden.

Dioxin-Skandale gibt es alle paar Jahre. Erst 2008 ging es um die Belastung von Schweinefleisch. Hat sich seitdem in der Futtermittelproduktion etwas verändert?
Da hat sich nichts Wesentliches getan. Leider gilt noch immer das Prinzip der Stichprobenkontrolle. Und wir beobachten durch die Ausweitung der Massentierhaltung eine Ausweitung des Futtermittelhandels, der für die meisten Lebensmittelskandale der letzten Jahre verantwortlich ist. Dadurch bekommen Risiken einen viel größeren Radius. Das wird am aktuellen Fall deutlich: Durch eine einzige Futtermittelfirma sind Tausende Höfe in mindestens vier Bundesländern vom Dioxin-Skandal betroffen. Die Alternative ist die Eigenproduktion des Großteils der Futtermittel auf Feldern rund um die Ställe.

Ist das überhaupt realisierbar, angesichts des enormen Verbrauchs von tierischen Produkten?
Die Massentierhaltung ist nicht am Bedarf orientiert, sondern am Gewinn. Derzeit produzieren wir zehn Prozent zu viel Schweinefleisch. Wie viel hofeigenes Futter eingesetzt wird, hängt von den Weltmarktpreisen für Agrarrohstoffe ab. Die Nutzung regionaler Futtermittel wäre ein Anfang, um das Risiko der Verbreitung von belasteten Erzeugnissen einzudämmen.

Welche Maßnahmen gibt es, um die Dioxin-Belastung von Lebensmitteln zu senken?
Die EU-Kommission wollte schon 2008 die Grenzwerte für Lebensmittel senken. Das wäre ein wichtiger Schritt. Wir sehen hier ein Zögern der Politik, denn für die Futtermittelindustrie wird es schwerer, wenn sie strengere Auflagen bekommt. Zudem muss das Prinzip der Stichproben durch engmaschige, systematische Proben ersetzt und im Futtermittelgesetz festgeschrieben werden.

Was kann der Verbraucher tun? Sollte er auf Eier, Geflügel und Schweinefleisch verzichten?
Solange nicht sämtliche Empfänger der Futtermittelchargen untersucht sind, raten wir zur Zurückhaltung.

Sind Bio-Eier unbedenklich?
Ja, ich habe heute Morgen schon eins gegessen. Wir haben es ja offensichtlich mit einer konventionellen Futtermittelfirma zu tun, die Biobetriebe nicht beliefert hat. Insofern sind Bio-Eier nicht betroffen. Das gleiche gilt für Bio-Fleisch.

Fragen: Jenny Becker

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal