Das inklusive Gymnasium

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.
Karikatur: Christiane Pfohlmann
Karikatur: Christiane Pfohlmann

Es kommt einer Revolution des deutschen Gymnasiums gleich, wenn es seine Türen für Menschen öffnet, deren Besonderheit in Teilen nicht das rationale Denken ist. In Münster (NRW) hat sich das altsprachliche Schillergymnasium entschieden, ab September fünf Kinder mit körperlichen und geistigen Handicabs aufzunehmen. Kinder »mit Sonderförderungsbedarf sollen gemeinsam, aber zieldifferent« mit anderen Schülern unterrichtet werden. Dafür will die Schule Unterrichtskonzepte zur individuellen Förderung entwickeln. Im Dezember 2010 erhielt das Schillergymnasium vom nordrhein-westfälischen Bildungsministerium bereits das »Gütesiegel Individuelle Förderung«.

Inklusion, individuelle Förderung und altsprachliche Ausrichtung: Kontrastreicher kann das Profil eines Gymnasiums nicht sein. Und doch gerade hierin liegt dessen Reiz. In die Zukunft weisend verbindet es Wilhelm von Humboldts Gedanken, demnach sich ein Individuum in der Auseinandersetzung mit der Welt bildet, mit neuen neurophysiologischen Erkenntnissen, die Emotionen und sozialem Verhalten einen hohen Stellenwert beim Lernen einräumen. Da zur Welt auch die soziale zählt, bilden sich die Menschen im Kontakt miteinander. Diese Rückwirkung führt dazu, dass alle Beteiligten etwas lernen und so davon profitieren.

Nicht nur in der Entwicklung emotionaler und sozialer Intelligenz wird dieses Gymnasium anderen den Schneid abkaufen, sondern auch im Hinblick ihrer ureigensten Aufgabe, der Entwicklung geistiger Fähigkeiten. Individuelle Förderung und Inklusion sind Konzepte der Nachhaltigkeit. Indem sie den selbstdenkenden Menschen in den Vordergrund schieben, erzeugen sie neue geistige, moralische und pragmatische Ideen. Somit bietet dieses Konzept im besten, wahrsten und »gemeinwohlorientiertesten« Sinne eine Abkehr von der Ethik des Homo oeconomicus, des verwertbaren Menschen.

Die Autorin ist Erziehungswissenschaftlerin und lebt in Berlin.

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