Der Traum eines Generalsekretärs

Raumfahrttrend 2011: Internationalisierung und Kommerzialisierung

  • Jacqueline Myrrhe
  • Lesedauer: 4 Min.

»Ihr seid dabei, meinen Traum zu verwirklichen«, rief der ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain vor zwei Wochen dem Publikum einer Pressekonferenz am Europäischen Raumflugkontrollzentrum ESOC in Darmstadt zu, dem zweitgrößten Standort der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA: »Ich träumte, dass einmal Houston das amerikanische ESOC genannt wird.« Übertrieben? Vielleicht, doch wenn 2014 die umfassende Modernisierung und Erweiterung des ESOC abgeschlossen sein werden, wird Deutschland künftig besser an den Erfolgen der ESA partizipieren können. Auch wenn die ESA gerade mit Problemen bei der Finanzierung der Internationalen Raumstation ISS und der europäischen Rakete Ariane kämpft, so wird die europäische Raumfahrt zumindest für das gerade begonnene Jahr der klare Sieger sein.

So werden 2011 drei ESA-Astronauten auf der ISS ihre Arbeit verrichten. Mitte Februar soll der zweite europäische Frachter, das Automated Transfer Vehicle ATV »Johannes Kepler«, zur ISS starten. Im Spätsommer wird die erste russische Sojus-Rakete von Europas Raumfahrtbahnhof Kourou (Französisch-Guyana) starten und zwei neue Satelliten für das europäische Galileo-Satellitennavigationsnetzwerk in den Orbit bringen. Bis zum Jahresende soll dann auch die kleine Vega-Rakete erstmals fliegen. ESA-Chef Jean-Jacques Dordain hält dieses Szenario für nichts weniger als eine »Raketenrevolution«. Sollte die ESA einerseits ihre finanziellen Probleme und andererseits die Zusammenarbeit mit der EU meistern, dann hat sie gute Chancen, die Zukunft der Raumfahrt im globalen Maßstab mitzubestimmen.

Das kann man von der deutschen Raumfahrtagentur, dem DLR, nicht im gleichen Maße sagen. Zwar ist die Raumfahrt einer der größte Posten im Haushalt des Wirtschaftsministeriums, doch gehen davon ca. 60 Prozent an die ESA. So wird das DLR immer auf die Integration deutscher Projekte in einen europäischen Rahmen oder mit Partnern in Übersee angewiesen bleiben. Trotzdem kann das DLR kleinere Vorhaben umsetzen, wie z.B. 2011 den Start des Technologieerprobungssatelliten TET und des Wiedereintrittskörpers SHEFEX, einer weiteren Technologiedemonstration.

Der Verlierer des Jahres 2011 dürfte die krisengeschüttelte NASA werden. Der US-Raumfahrtagentur fehlt eine klare Ausrichtung. Obendrein arbeiten die NASA-Manager mit einem Übergangsbudget. Beim James-Webb-Weltraumteleskop laufen die Kosten zunehmend aus dem Ruder, das Space Shuttle soll nach den nächsten beiden Missionen planmäßig außer Dienst gestellt werden. Eine dritte Mission wird zwar diskutiert, unklar ist aber, wo das Geld dafür herkommen soll.

Und kürzlich wurde bekannt, dass die vom US-Kongress beschlossene Entwicklung einer neuen Schwerlastrakete samt Raumkapsel höchst unsolide finanziert ist. Präsident Barack Obama baut pragmatisch auf internationale Kooperation und privatwirtschaftliche Partner.

NASA-Chef Charles Bolden erklärte nach dem ersten erfolgreichen Demonstrationsflug der Rakete der kommerziellen Raumfahrtfirma SpaceX im Dezember: »Dies ist der Beginn einer neuen Generation von Raumfahrtsystemen, die für die Sicherung der Internationalen Raumstation benötigt werden und eines Tages Astronauten in den Orbit bringen mögen. Der erfolgreiche Flug ist ein wichtiger Meilenstein für die Erreichung der von Präsident Obama und dem Kongress gesetzten Ziele. Er zeigt gleichzeitig, wie Regierung und Industrie ansetzen können, um mit Expertise und Ressourcen eine neue und dynamische Raumfahrtwirtschaft zu begründen.«

Russland setzt schon seit Jahren auf Kommerzialisierung der Raumfahrt. Mitte Januar hat Roscosmos wieder drei Sitze für Weltraumtouristen verkauft. Vielleicht ist das schon ein Vorgeschmack auf die Zukunft der ISS als Weltraumhotel. Nach der Außerdienststellung der Space Shuttles wird Russland ein Monopol auf den bemannten Zugang zur Raumstation haben. Russland baut währenddessen sein neues Kosmodrom im Fernen Osten des Landes, das 2015 den Betrieb aufnehmen soll.

Für die aufstrebende Raumfahrtnation Indien kann es nach dem vergangenen Jahr nur besser werden. Zweimal versagte der indische Schwerlastträger GSLV. Mit dem letzten Fehlstart vom 25. Dezember gingen viele Raumfahrtträume den Ganges hinunter, wahrscheinlich auch der Traum von einem nationalen Programm für bemannte Raumfahrt. Indien bleibt aber interessant für internationale Partner, was hochrangige Besucher aus Frankreich, Russland und den USA vergangenes Jahr unterstrichen.

Unter Präsident Obama scheinen die Zeiten, wo China auf Drängen der USA aus allen wichtigen internationalen Projekten herausgehalten wurde, vorbei zu sein. Zeugnis davon war der im eigenen Lager umstrittene Besuch von NASA-Chef Bolden im Oktober 2010 bei seinen chinesischen Kollegen. China hat in der Zwischenzeit mit einem eigenständigen bemannten Programm, dem Monderforschungsprogramm und dem Aufbau eines Navigationssystems seine Fähigkeiten demonstriert. Und es geht weiter: eine eigene Schwerlastrakete bis 2014, Einweihung des vierten nationalen Raumfahrtbahnhofs 2013, Landung einer Mondsonde bis 2013, mit Probenrückholung bis 2018, Start einer Miniraumstation 2011, Aufbau einer modularen Raumstation ab 2020.

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