Vom Golfclub in Zamalek zum umkämpften Tahrir-Platz

In Kairo liegen konträre Welten dicht beieinander

  • Karin Leukefeld, Kairo
  • Lesedauer: 4 Min.
Während sich auf Kairos zentralen Plätzen auch gestern wieder Menschen zum Protest versammelten, scheint das Leben in nur wenige Kilometer entfernten Clubs der Begüterten davon unbeeindruckt zu bleiben.

Auf Zamalek scheint die Welt in Ordnung. Im staatlichen Gezira Club laufen auch an diesem Freitag wie jeden Morgen Frauen und Männer über die Sportbahnen, Damen und Hausangestellte führen die Hunde spazieren, die ersten Tennisspieler schlagen sich die Bälle zu.

Zamalek ist eine Nilinsel mitten in Kairo. Im 19. Jahrhundert residierte hier Khalif Ismail Pascha in seinem Palast, legte wunderbare Gärten und Parks an, ließ Statuen und Museen bauen, eine Oase in der wachsenden ägyptischen Metropole. Zamalek ist ein ruhiger Stadtteil der ägyptischen Hauptstadt, mit Brücken nach Osten und Westen verbunden leben hier Ausländer und ägyptische Mittelschichtler, nahe des Zentrums.

Für viele andere Ägypter ist dieser Freitag nicht gewöhnlich. Seit den Morgenstunden strömen sie wieder auf den Tahrir-Platz, den Platz der Befreiung, auf dem seit zehn Tagen Hunderttausende Menschen den Rücktritt von Präsident Husni Mubarak fordern. Nur wenige hundert Meter vom Gezira-Club entfernt ziehen Demonstranten vorbei, doch zwischen ihnen und Zamalek scheinen Welten zu liegen. Der gestrige Freitag sollte der »Tag des Rücktritts« für Mubarak sein, so hatten die Demonstranten es beschlossen.

Auf dem Tahrir-Platz waren es sicherlich wieder Hunderttausende, die schon vor dem Morgengebet mit Essentüten, Koran und Zeitungen in langen Schlangen warteten, um die strengen Kontrollen über sich ergehen zu lassen. Das Militär, mit schusssicheren Westen, Gewehren und Helmen deutlich aufgerüstet, hatte weitere Panzer aufgestellt, den Platz mit Stacheldraht weitgehend abgesperrt und nur enge Zugänge gelassen, durch die die Demonstranten hindurch gelotst wurden. Frauen wurden vorbeigelassen, mussten sich aber gleichfalls ausweisen und wurden von anderen Frauen ebenso gründlich kontrolliert, wie die Männer. Eltern waren mit ihren Kindern gekommen, junge Familien mit Babies, zum Freitagsgebet um die Mittagszeit war der Platz dicht gefüllt. Die Erwartungen waren hoch.

Man hoffe, es werde der letzte Tag für Mubarak, sagte Mohamed Aboulghar, der völlig übermüdet am Rande des Platzes auf Freunde wartete. Der Medizinprofessor gehört zu der Nationalen Bewegung für Reformen, der auch Mohamed al-Baradei angehört, der in Europa häufig als Mann für den Übergang in Ägypten genannt wird.

»Baradei hat einen großen Fehler gemacht. Wäre er im letzten Jahr hier in Ägypten gewesen, könnte er heute Übergangspräsident sein«, meint Aboulghar. Doch Baradei flog erst nach dem historischen 25. Januar ein.« Der 70jährige Aboulghar schüttelt ständig Hände, die sich ihm entgegenstrecken. Den Demonstranten ist er bekannt, zuletzt machte er ihnen bei einer Rede nach den blutigen Ereignissen vor zwei Nächten Mut. Auch wenn er selber Baradei schätze und für einen guten Kandidaten als Übergangspräsidenten halte, »ich kann niemanden hier davon überzeugen, so ist das.«

»Er ist ein Wissenschaftler und hat seinen Lebensmittelpunkt im Ausland«, sagt Sibil, eine junge Lehrerin, die zum ersten Mal auf den Tahrir-Platz gekommen ist, um mit eigenen Augen zu sehen, wer die Demonstranten sind. Bisher stand sie ihnen skeptisch gegenüber, hat viel von der staatlichen Propaganda geglaubt und war mit Mubarak immer ganz zufrieden. »Aber natürlich muss jeder für seine Rechte auf die Straße gehen dürfen«, darum sei sie gekommen. Von Baradei hat sie nicht viel gehört, doch Wissenschaftler hätten mit Politik wenig Erfahrung, und in der Übergangszeit, nach Mubarak, sollten Politiker antreten, die das Land und die Leute »auch wirklich kennen«.

»Amr Moussa als Präsident, warum das denn?«, fragt eine Aktivistin völlig erstaunt zurück auf die Frage, ob Baradei oder Moussa, am Freitag ebenfalls auf dem Tahrir-Platz, eine Übergangsregierung führen könnten. Moussa, der Generalsekretär der Arabischen Liga, und Baradei, Friedensnobelpreisträger und langjähriger Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, würden vom Westen zwar als Kandidaten für eine Interimsregierung nach Mubarak gehandelt, sagt der Publizist Mamdouh Habashi. Das habe aber nichts mit den Ägyptern zu tun, sondern »mit den Interessen des Staates Israel«, die der Westen verteidige. Dort sei man sehr besorgt über die Entwicklungen in Ägypten, dem »wichtigsten Mosaikstein der strategischen Interessen des Westens in der Region«. Er hoffe, dass die Ägypter sich diese Revolution nicht aus den Händen nehmen lassen. Möglich, dass Baradei eine Rolle spielen könne, wenn er im Land bleiben würde, wie jeder angesehene Ägypter. Voraussetzung allerdings sei, »dass er von einer Versammlung der neuen Opposition demokratisch legitimiert, also gewählt wird«, so Habashi. »Nur das macht ihn glaubwürdig.«

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