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Nächtliche Proteste in Alexandria

  • Martin Lejeune
  • Lesedauer: 2 Min.

Nicht nur in Kairo kam es in den letzten Wochen zu Demonstrationen. Auch in Alexandria, der mit 4,2 Millionen Einwohnern zweitgrößten Stadt im Norden Ägyptens, gab es heftige Proteste gegen die Regierung sowie Ausschreitungen zwischen Bürgern und Sicherheitskräften, die von den westlichen Medien kaum abgebildet werden, da deren Korrespondenten und Kamerateams hauptsächlich in der Hauptstadt im Einsatz sind. Dabei ist gerade in der Hafenstadt an der Mittelmeerküste kein Ende der Proteste abzusehen. »Hunderte Demonstranten missachteten in der Nacht von Samstag auf Sonntag erneut die Ausgangssperre und forderten in den Straßen im Zentrum Alexandrias den Rücktritt des Präsidenten«, erzählt Lamiaa Kabbari gegenüber ND am Telefon. Am Sonntag sei es bisher ruhig gewesen.

Lamiaa Kabbari ist 23 und studiert an der Universität Alexandria Zahnmedizin. Sie ist seit Beginn der Proteste auf der Straße, weil »wir Ägypter Freiheit, Demokratie und Menschenrechte auch für unser Land einfordern. Wir wollen die gleichen Freiheiten genießen, wie es sie in den westlichen Ländern gibt, die den Diktator Mubarak all die Jahrzehnte unterstützt haben.« Tief berührt habe sie die Serie von Selbstverbrennungen in den arabischen Staaten Mitte Januar, die ihren Ausgang in Tunesien nahmen. Als dann am 18. Januar auch bei ihr um die Ecke in Alexandria ein 25-jähriger Arbeitsloser starb, der sich auf dem Dach seines Elternhauses mit Benzin übergossen und angezündet hatte, sei sie schockiert gewesen. »Ich habe mich gefragt, wie hoffnungslos und ohne Aussicht auf eine bessere Zukunft ein fast gleichaltriger junger Mann sein muss, um sich und seiner Familie so etwas anzutun. Und dann wurde mir klar, wie viele Ägypter in so einer Lage sind wie er.«

Genau eine Woche später fassten Kabbari und viele ihrer Kommilitonen dann den Mut, auf die Straße zu gehen. Am 25. Januar riefen die Organisatoren der ersten Demonstration zu einem »Tag der Revolution gegen Folter, Armut, Korruption und Arbeitslosigkeit« auf. Hunderte folgten diesem Aufruf. Kabbari und die anderen Demonstranten der ersten Stunde haben ihren Protest selbst organisiert über eine bis zur Stunde geheime arabischsprachige Facebook-Gruppe. Sie gibt nicht nur die Demonstrationsorte bekannt, sondern sorgt auch dafür, dass die Teilnehmer der Proteste ihre Handyvideos hochladen können.

So wie der Zahnarzt Mohamed Talaat, der auch Dozent an der Universität Alexandria ist, und um 3.33 Uhr eine Straßenschlacht gefilmt hat. Unterdessen wurde die nächtliche Ausgangssperre gelockert. Künftig gelte sie in auch in Alexandria nur noch von 19.00 bis 6.00 Uhr morgens, meldete Al-Dschasira unter Berufung auf das staatliche ägyptische Fernsehen. Das sind drei Stunden weniger als bisher.

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