Die Erde birgt viele Geheimnisse

Archäologen finden in Haldensleben Spuren von »Industrie« der Bronzezeit

  • Lesedauer: 3 Min.
In Haldensleben lässt sich die Industrie gerne nieder – und das schon seit 3000 Jahren. Archäologen haben im heutigen Industriegebiet Metallgießer aus der Bronzezeit nachweisen können. Und sie fanden einen Zaun, der Rätsel aufgibt.

Haldensleben (dpa/ND). Bevor im Haldenslebener Südhafen neue Industriehallen gebaut werden dürfen, kommen Männer und Frauen in gelben Gummistiefeln. Sie packen Vermessungsgeräte und Laptops aus, stecken Markierungsstäbe in den Boden und graben los. Denn nur wenige Zentimeter unter den Äckern und Wiesen von Haldensleben liegen archäologische Schätze verborgen. Metallteile, Keramikscherben und Holzpfosten belegen: Schon seit vielen tausend Jahren siedeln Menschen in diesem Urstromtal, durch das sich heute der Mittellandkanal zieht.

Stolz hält Susanne Friederich vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie eine Form aus Sandstein in die Höhe. »Hier wurde das Objekt eingemeißelt, das gegossen werden sollte: eine bronzene Sichel.« Der unscheinbare Stein ist für Friederich der Beweis dafür, dass in der späten Bronzezeit in Haldensleben Metall verarbeitet wurde.

Die Gussform ist nicht der erste bedeutende Fund am Südhafen. Bereits vor zwei Jahren, als der Hafen am Mittellandkanal ausgebaut wurde, stießen die Archäologen auf jahrtausendealte Gräber der Schönfelder Kultur. Im Juli vergangenen Jahres fanden sie ein reiches Urnengrab aus der römischen Kaiserzeit – eine Frau aus der germanischen Oberschicht wurde hier mit ihrem Gewand inklusive Gold- und Silberschmuck bestattet. Nun gelang der Nachweis, dass hier nicht nur Friedhöfe lagen, sondern auch eine wichtige Siedlung stand.

Susanne Friederich kann anhand von kleinen Scherben und Verfärbungen in der Erde erzählen, wie die Menschen damals gelebt haben: Mit kleinen Beilen schlugen sie zunächst Lichtungen in den Wald, der damals noch das ganze Land überzog. Dort ließen sie sich nieder, bestellten Getreide (Fundstücke: Metallsicheln für die Ernte und Keramikgefäße zur Aufbewahrung) und betrieben Milchwirtschaft (Funde: Siebgefäße zur Herstellung von Quark und Käse). Mitten durch das Dorf zog sich laut Friederich ein dicker, hoher Zaun – heute sind nur noch dunkle Flecken übrig, wo einst die Baumstämme in die Erde gerammt wurden. Wahrscheinlich trennte diese Palisade das Handwerksviertel vom Wohnviertel, vermutet Friederich. Das sei sehr ungewöhnlich. Oft habe ein kleines Gewässer verschiedene Teile eines Dorfes getrennt, etwa zum Schutz vor Bränden, die leicht in den heißen Öfen der Metallgießer ausbrechen konnten. Aber ein Holzzaun diene weder als Brandschutz noch als Schutz vor Wölfen oder Angreifern. Eines aber sei sicher: Solch eine mindestens 220 Meter lange Palisade konnte nur gemeinsam errichtet werden.

Mindestens zwanzig Langhäuser standen in der Siedlung, in denen jeweils etwa zehn Menschen gelebt haben dürften. Wie groß das Dorf war, können die Archäologen noch nicht sagen, denn an keiner Seite des Grabungsfeldes haben sie bisher das Ende der Siedlung erreicht. Es kann also weiter gegraben und noch viel gefunden werden.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal