G20 listet Datensatz auf

Angesichts der Differenzen blieben die Finanzminister unkonkret

  • Lesedauer: 3 Min.
Die 20 größten Industrie- und Schwellenländer wollen gegen die weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte vorgehen. Ihre Regierungen sind sich aber nicht einig, wie dies geschehen soll.
Paris (AFP/dpa/ND). Die »großen Antworten« forderte der französische Präsident Nicolas Sarkozy am Freitagabend in seiner Eröffnungsrede beim Treffen der G20-Finanzminister und Notenbankchefs in Paris: Das Weltwährungssystem wollte er reformieren, schwankende Rohstoffpreise zügeln, Kapitalflüsse regulieren, mehr Geld für Entwicklungshilfe auftun – und dem Ganzen kurz vor der französischen Präsidentschaftswahl 2012 auch noch seinen persönlichen Stempel aufdrücken. Am Ende des zweitägigen Treffens klang das ganz anders: »Wir haben eine Einigung, jeder hat dazu beigetragen«, so die Gastgeberin, Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde. Bei den nicht gerade einfachen Gesprächen habe ein »fruchtbares Klima« geherrscht.

Tatsächlich ging es lediglich einen kleinen Schritt bei der Bekämpfung der weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte voran: Die Finanzminister legten eine Art Datensatz fest, mit dem Stärken und Schwächen eines Landes benannt werden sollen. Dazu gehören das Haushaltsdefizit, die private Sparquote und die Leistungsbilanz, bei der wiederum Wechselkurse sowie die Steuer- und Währungspolitik berücksichtigt werden sollen. Damit ist der Punkt der Währungsreserven nur indirekt erwähnt. Dagegen hatte sich China gewehrt – das Land hat Reserven von 2,7 Billionen Dollar angehäuft. In einem zweiten Schritt soll nun festgelegt werden, wie die einzelnen Kriterien zu bewerten sind. Spezifische Zielgrößen, die ein Land zu erreichen habe, werde es nicht geben, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Insbesondere die Bundesregierung wollte verhindern, dass die Außenhandelsbilanz in den Vordergrund gerückt wird, damit Deutschland als starke Exportnation nicht für Ungleichgewichte verantwortlich gemacht wird. Die Bundesregierung will zudem erreichen, dass die Eurozone als Einheit betrachtet wird, um selbst aus der Schusslinie zu kommen. Beim G20-Gipfel im vergangenen Herbst waren die USA mit der Idee einer »Exportbremse« für Deutschland und China dort auf Granit gestoßen. Demnach sollten führende Exportnationen ihren Handelsüberschuss deckeln und stattdessen mehr für die heimische Nachfrage tun. Das scheint nun vom Tisch.

Ähnlich vage blieb es auch bei der Frage der steigenden Agrar- und Rohstoffpreise. Zwar scheinen sich alle einig, dass man etwas gegen die starken Schwankungen der Rohstoff- und Lebensmittelpreise tun müsste. Aber wie das konkret aussehen soll, wurde in Paris nicht deutlicher. Innerhalb der G20, wo auch große Agrarländer wie Argentinien und Brasilien vertreten sind, gebe es »breite Übereinstimmung« für mehr Transparenz an den Märkten, sagte die Gastgeberin des Treffens, Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde.

Ein weiteres Thema war die Neuordnung des Währungssystems, zu der Deutschland zusammen mit Mexiko eine Arbeitsgruppe leitet. »Grundpfeiler« der Zusammenarbeit im Bereich der Währungen müsse der Internationale Währungsfonds (IWF) sein, sagte Sarkozy. Mit seiner Forderung nach einer Steuer auf Finanztransaktionen kam er auch nicht viel weiter – diese ist in der Abschlusserklärung nicht einmal erwähnt.

Frankreich verfolgte das G20-Treffen in erster Linie mit der innenpolitischen Brille. Der aktuelle IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn könnte bei der Präsidentschaftswahl 2012 gegen Sarkozy antreten. Doch die weitere Aufwertung des IWF könnte Strauss-Kahn zu einer zweiten Amtszeit bewegen.


Appell

Rund 100 Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt haben in einer gemeinsamen Erklärung die G20 aufgerufen, gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln vorzugehen. Das Anliegen sei »dringend«, weil »die Preise auf den Agrar- und Finanzmärkte mit jedem Monat stärker schwanken«. Werde die exzessive Spekulation nicht unterbunden, »wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis wir das nächste Kapitel der globalen Hungerkrisen erleben«, heißt es in der Erklärung. ND
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