Frust der CDU richtet sich gegen Ahlhaus

Nach der Wahlniederlage in Hamburg fällt scheidender Bürgermeister in Ungnade / FDP feiert »Topmodel« Suding

  • Susann Witt-Stahl
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der Wahl in Hamburg liegen im bürgerlichen Lager Freud und Leid dicht beieinander. Während der scheidende Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) von der eigenen Partei mit Schimpf und Schande aus Amt und Würden gejagt zu werden droht, freut sich der Abstauber FDP über Westerwelles neue Wunderwaffe.

Ob »absolute Katastrophe«, »Super-Debakel« oder »verheerende Wahlschlappe« – in der Hansestadt werden derzeit alle möglichen Endzeit-Superlative ausprobiert. Das schlechteste Wahlergebnis für die Hamburger CDU aller Zeiten, das in Zahlen den Verlust von 28 Bürgerschaftssitzen – genau die Hälfte – bedeutet, hat offenbar weitreichende Konsequenzen. Die seit rund einem Jahr anhaltende Rücktrittswelle von Christdemokraten – Finanzsenator Michael Freytag, Bürgermeister Ole von Beust, schließlich Freytags Nachfolger Carsten Frigge – frisst weiter am Mark der Partei. Bereits am Montagabend hatte Frank Schira erklärt, dass er es für ein »Gebot der Stunde« halte, sein Amt als Landeschef der CDU zur Verfügung zu stellen. »Damit wir in den nächsten Monaten darüber diskutieren, was wir jetzt besser machen können«, fügte er als Begründung hinzu. Diesen Prozess wolle er »moderieren«. Bis Juni, so Schira, bleibe er aber noch geschäftsführend im Amt.

Auch der Master des Desasters, der scheidende Bürgermeister Christoph Ahlhaus, legt nach seiner »sehr schmerzhaften Niederlage« den Rückwärtsgang ein. Er erhebe keinen Anspruch auf den Fraktionsvorsitz, sondern wolle lediglich sein Bürgerschaftsmandat wahrnehmen. »Ich bin keiner, der bei stürmischer See von Bord geht«, mimte der Schipper (Kapitän) aus Heidelberg noch am Wahlabend den Standhaften. Er wolle »mithelfen, damit die CDU möglichst schnell wieder Tritt fasst und kraftvoll Oppositionsarbeit machen kann.«

Mehr als fraglich ist, ob die Partei Ahlhaus’ Angebot verlockend findet. Von der Basis bis an die Spitze sähe man es am liebsten, wenn der 41-jährige gelernte Bankkaufmann nicht das Kapitäns- gegen das Lotsenpatent austauschen, sondern ganz von Bord gehen würde. Die Partei sei kein »Selbstbedienungsladen«, polterte der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Heiko Hecht aus Finkenwerder. Wer eine »schlechte Leistung« bringe, dürfe keine Belohnung erwarten. Ahlhaus sei den Hamburger Wählern »nicht vermittelbar«, heißt es aus der Jungen Union, die zu allem Übel in Ahlhaus’ Wunden stochert und an »einige Ausrutscher« des Bürgermeisters erinnert: Beispielsweise die vom Steuerzahler finanzierte eine Million teure Sicherheitsanlage, die er an seiner Villa in den Elbvororten anbringen lassen hat. Aus der ersten Reihe wird sogar gedroht: Es werde zu einer »Revolution« kommen, wenn die Verantwortlichen für das Fiasko kein Einsehen haben sollten, zitiert die Hamburger Morgenpost ein namentlich nicht genanntes CDU-Vorstandsmitglied.

Anders als der zu Tode betrübte Christdemokrat beurteilt der himmelhoch jauchzende Teil des bürgerlichen Lagers das Votum der Hamburger: Katja Suding, die am Sonntag für die Liberalen das beste Ergebnis seit 1974 eingefahren hat, wurde schon in den Wochen vor der Wahl als »Westerwelles next Topmodel« gehandelt, weil der Bundesparteichef massiv unterstützt hatte. Entsprechend beurteilte er den geglückten Wiedereinzug der FDP unter der Führung seiner Katja in die Bürgerschaft als richtungsweisenden Auftakt für das Superwahljahr.

Als Westerwelles Wunderwaffe, auch gegen die zahlreichen Kritiker in der eigenen Partei, eignet sich Katja Suding optimal. Die 35-jährige PR-Beraterin, die erst seit 2006 Mitglied der FDP ist, hat sich bislang aus den parteiinternen Ränkespielen herausgehalten. Ob allein Sudings Qualitäten und ihr weitgehend inhaltsloser Wahlkampf – mit Slogans wie »KatJa!« oder »FDP statt GAL« – ihren Wahlerfolg erklären, darf bezweifelt werden. Sie profitierte auch vom Elend der CDU, die von ihren Stammwählern fallen gelassen wurde wie eine heiße Kartoffel. Nach der SPD konnte die FDP mit 19 000 die meisten CDU-Wähler für sich gewinnen.

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