Vietnam: Polizei im Bunde mit der Unterwelt

Ho-Chi-Minh-Stadts »Nam Cam«-Bande hatte weit reichende Verbindungen bis in die Hauptstadt Hanoi

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.
Reicht die lange Hand einer kriminellen Bande bis ins Führungszentrum Vietnams? Mit genau dieser Frage beschäftigt sich derzeit eine Sonderkommission unter Leitung des obersten Polizeichefs Truong Huu Quoc.
Zwischen Januar und April wurden 60 Köpfe der berüchtigten »Nam-Cam«-Bande festgenommen, die im südvietnamesischen Ho-Chi-Minh-Stadt seit Jahren ihr Unwesen treibt. Sie kontrollierte nahezu die gesamte illegale Zuhälter- und Glücksspielszene der Stadt, überdies soll sie große Teile des Drogenmarktes in Südvietnam beherrscht haben. Vor Morden schreckte sie nicht zurück. Ein Prozess gegen die Bande wurde für Juli angekündigt. Dass es der Polizei von Ho-Chi-Minh-Stadt lange Zeit nicht gelungen war, Mitglieder der berüchtigten Bande dingfest zu machen, war laut Berichten der vietnamesischen Nachrichtenagentur VNA alles andere als Fahnderpech. Die »Ordnungshüter« seien jahrelang durch Bestechungsgelder davon abgehalten worden, gegen die Bande vorzugehen. In Einzelfällen seien Festgenommene auf Geheiß der Polizeiführung sogar wieder auf freien Fuß gesetzt worden, wenn ein nichts ahndender Polizist sie dennoch verhaftet hatte. Die Rede ist von »wöchentlichen und monatlichen Zahlungen in Höhe von 500000 bis 1 Million Dong« (zwischen 40 und 80 Euro) pro Polizist. Im früheren Saigon reichen monatlich 100 Euro für das bescheidene Leben einer kleinen Familie. Im April und Mai wurden jedoch nach Angaben von VNA 51 Polizisten und Polizeioffiziere der Stadt festgenommen. Darunter war auch der Leiter der städtischen Kriminalpolizei, Duong Minh Ngoc. »Ngoc wurde unzählige Male von Bandenchef Nam Cam zum Essen eingeladen und hat von ihm Geld angenommen«, will die britische BBC aus Ermittlerkreisen erfahren haben. »Er investierte mit dem Boss der Unterwelt gemeinsam in zwei berüchtigte Restaurants und eine Tanzbar.« In der letzten Woche verloren zwei weitere hohe Funktionäre der städtischen Polizei ihre Posten. Die Verbindungen der Bande reichten vermutlich sogar über Ho-Chi-Minh-Stadt hinaus. Im Mai wurde der Leiter eines Hanoier Umerziehungslagers, Nguyen Thap Nhat, festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, 1995 von Truong Van Cam alias Nam Cam 11000 Dollar angenommen zu haben. Dafür soll er für die Überführung Nam Cams aus dem Lager in ein gewöhnliches Hanoier Gefängnis gesorgt haben. Später hätte der Lagerchef noch einmal 2000 Dollar genommen und als Gegenleistung der Tochter des Mafiabosses zur Freiheit verholfen. Nam Cam kam schon 1997, zwei Jahre nach seiner Verhaftung, wieder frei, obwohl er mit der Todesstrafe zu rechnen hatte. An der offiziellen Begründung, die Freilassung sei auf ein Gnadengesuch seiner Ehefrau zurückgegangen, wird inzwischen gezweifelt. Den Ermittlern ist nämlich ein Papier in die Hände gelangt, in dem sich der Chef des Staatlichen Rundfunks, Tran Mai Hanh, bei der Gefängnisleitung für die Freilassung des Häftlings eingesetzt hatte. Tran, der dem Zentralkomitee der KPV angehörte, wurde von allen Ämtern entbunden und durfte auch sein kürzlich erobertes Parlamentsmandat nicht antreten. Weil ihm die Annahme von Bestechungsgeldern nicht nachgewiesen wurde, ist er noch auf freiem Fuß. Die Tatsache, dass sich die Ermittlungen des obersten vietnamesischen Polizeichefs auch auf das Zentralkomitee erstrecken, gibt in Vietnam allerhand Gerüchten Nahrung. Allerdings gehört Truong Huu Quoc ebenfalls dem ZK an, was die Ermittlungen sicher nicht einfacher macht.

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