Ende eines Erfolgsmodells

Kehrtwende im niedersächsischen Schulstreit

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Eigentlich sollte die zu schaffende Oberschule in Niedersachsen auch die Erlangung des Abiturs ermöglichen. Doch nun hat die schwarz–gelbe Regierungskoalition die Pläne von CDU-Kultusminister Bernd Althusmann durchkreuzt.

Ein »Erfolgsmodell für Niedersachsen« werde sie sein: die künftige Oberschule, welche die Haupt- und Realschule vereint und auch eine Oberstufe zum Erlangen des Abiturs bekommen könne. So hatte Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) noch vor wenigen Wochen die neue Schulform gerühmt. Nun aber droht das vermeintliche Erfolgsmodell zum Gegenstand einer handfesten Auseinandersetzung zwischen der CDU/FDP-Regierungskoalition und Opposition im Landtag zu werden. Denn: Schwarz-Gelb will die Oberstufe wieder streichen.

»Eine Mogelpackung«

Offenbar wurde die Kehrtwende, als jüngst der Kultusausschuss des Parlaments zusammenkam. Bis zu dieser Sitzung war die Opposition davon ausgegangen, dass nach dem Konzept des Ministers verfahren werden soll: Schulträger können zum neuen Schuljahr im August Oberschulen einführen – mit oder ohne Oberstufe. Im Fachausschuss aber überraschten CDU und FDP mit einem veränderten Gesetzentwurf. Er besagt: Die Oberstufe soll wegfallen. Allerdings ist eine Ausnahmeregelung vorgesehen. Sie erlaubt Oberschulen mit Oberstufe, wenn gleichzeitig am selben Ort eine Gesamtschule mit Oberstufe geschlossen wird.

Bei Interessenvertretungen der Lehrer ist die Nachricht aus dem Ausschuss auf unterschiedliches Echo gestoßen. Die Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Gitta Franke-Zöllmer, meint: Das Verbot für Oberstufen an Oberschulen lasse Zweifel daran aufkommen, ob die Regierungsfraktionen wirklich eine gleichwertige Schulform als Alternative zum Gymnasium errichten wollen. Bei Eltern und Kommunen werde das Verhalten von Schwarz-Gelb allerdings die Forderung nach weiteren Gesamtschulen verstärken, »weil dann nur diese ein längeres gemeinsames Lernen und das Offenhalten aller Abschlüsse vorhalten«.

Begrüßt wird der neue Gesetzentwurf dagegen vom Philologenverband. Die als konservativ geltende Gymnasiallehrer-Organisation bezeichnet die Oberstufe in der Oberschule als »Mogelpackung, auf der zwar Gymnasium draufsteht, aber keineswegs Gymnasium drin ist«. Einen »vorprogrammierten Rückgang der Bildungsqualität« befürchten die Philologen. Zudem sei eine Vermehrung der gymnasialen Bildungsangebote bei gleichzeitigem Rückgang der Schülerzahlen in keiner Weise zu rechtfertigen.

Nach Ansicht der LINKEN haben die Regierungsfraktionen durch den veränderten Gesetzentwurf den Kultusminister in seinem Amt geschwächt und seine Pläne durchkreuzt. »Bernd Althusmann wurde wie ein Zirkuspferd in der schulpolitischen Arena vorgeführt. Er ist jetzt nur noch ein Anhängsel der FDP und des Philologenverbandes«, sagte Christa Reichwaldt, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Zu der Ausnahme, die eine Oberstufe an der Oberschule beim gleichzeitigen Schließen einer Gesamtschule erlaubt, erklärte Reichwald: »Damit hetzen CDU und FDP die Schulformen aufeinander.«

Wieder am Anfang

Ähnlich äußert sich die schulpolitische Sprecherin der Landtagsgrünen, Ina Korter, zu der Ausnahmeregelung: Diese könne »geradezu als Aufruf zum Schulkrieg« verstanden werden. Und: Das Nein zur Oberstufe sei ein »Einknicken vor der konservativen Gymnasiallobby«.

Die Schulexpertin der SPD, Frauke Heiligenstadt, kommentiert das Geschehen im Kultusausschuss: Die von CDU und FDP vorgelegten Änderungsvorschläge zum Gesetzentwurf werfen die politische Debatte über einen Schulkonsens auf den Anfang zurück. Zudem würden durch den Fortfall der Oberstufe diejenigen Eltern enttäuscht, die es ihren Kindern ermöglichen wollen, in Wohnortnähe zum Abitur zu kommen.

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