Stadionbesetzung in Busto Arziso

Fans und Spieler machten auf Finanznotstand des italienischen Viertligateams aufmerksam

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Fußballstadion kann zum Hort des zivilen Ungehorsams werden. Diese Metamorphose machte letzte Woche das Stadion Speroni in Busto Arzisio nördlich von Mailand durch. Eine Woche lang hielten Fans und Spieler des italienischen Viertligavereins Pro Patria das eigene Stadion besetzt. Mit Sit-ins, Sleep-ins und Grillnächten machten sie auf den Finanznotstand aufmerksam, in den der frühere Serie A-Klub gerutscht ist. »Seit Beginn dieser Saison erhalten wir kein Gehalt. Wir wurden vertröstet, vom Herbst auf den Winter, vom Januar auf den Februar. Aber nichts ist passiert. Jetzt reicht es«, äußerte sich Trainer Raffaele Novelli. Er forderte außerdem die Fans auf, ihre finanzielle Unterstützung ruhen zu lassen. »Wir danken euch. Nur dank eurer Hilfe sind wir noch hier. Doch lasst jetzt das Spenden bleiben«, erklärte er.

Die Tifosi hatten eine beispielhafte Solidaritätskampagne ins Leben gerufen, als sich herausstellte, dass weder der alte noch der neue Besitzer des Klubs bereit waren, die laufenden Kosten zu übernehmen. »Es gab nichts mehr hier, kein Waschmittel für die Trikots, kein Geld für die Auswärtsfahrten, nichts. Wir Fans haben zusammengelegt und der Mannschaft die Reisen bezahlt«, erzählt Giancarlo Bacchi vom größten Fanclub des Vereins. Die Tifosi sehen sich allerdings nicht in der Lage, alle Kosten zu übernehmen. Weil der Klub mit Zahlungen an die Liga in Verzug ist, wurde er mit vier Punkten Abzug bestraft. »Es drohen weitere vier Punkte Strafe«, sagt Bacchi. Der 62-Jährige geht seit über 50 Jahren ins Stadion und kann sich noch an glorreiche Zeiten erinnern, als die »Tiger« in der Serie A kickten. In den 50er Jahren wurden sie sogar vom legendären Giuseppe Meazza, Doppelweltmeister 1934 und 1938, trainiert. Doch diese Glanzzeiten liegen lange zurück. In die Schlagzeilen schaffte es der Verein jetzt nur durch die spektakuläre Protestaktion.

Am Mittwoch letzter Woche drangen Fans mit Matratzen und Decken ins Stadion ein. Sie bereiteten ein Nachtlager vor, dass die Spieler nach ihrem Nachmittagstraining auch betraten. Sie blieben bis Samstag, als sie ins Friaul zum Auswärtsspiel bei Sacilese fuhren. »Wenigstens diese Fahrt hat Tassoni, der neue Präsident, bezahlt«, bemerkt Bacchi bitter. Das Spiel endete unentschieden. »Uns fehlt unser Torjäger Ripa«, klagt Bacchi. Als einziger der Spieler verließ Ripa in der Winterpause den Verein. »Die anderen wollten anfangs auch gehen. Aber jetzt ist die Transferperiode vorbei und man wird gesperrt, wenn man wechselt. Wer spielen will, hält durch«, so Bacchi.

Näher gekommen sind sich Spieler und Fans durch die Aktion auf jeden Fall. Es gab Grillabende; 60 Kilo Fleisch wurde vom örtlichen Fleischer, der Pro Patria-Fan ist, gestiftet. Der lokale Konditor sorgte für das Dessert. Während in der Nacht die Fans nach Hause gingen, hielt ein Dutzend Spieler die Besetzung rund um die Uhr aufrecht. »Wir haben ein Rotationssystem eingeführt«, erklärt Mittelfeldspieler Giampaolo Calzi und betont die Solidarität zwischen den Spielern.

Die Besetzung des Stadions ist mittlerweile abgebrochen. Die Zukunft ist unsicher. Die Ursache des Desasters bleibt im Dunkeln. Nach einem Familienstreit verließ Manager Savino Tesoro im Herbst den Verein. Sein Vater Antonio verkaufte das nunmehr ungeliebte Spielzeug an den Bauunternehmer Massimo Pattoni. Doch auch der steckte bislang keinen Cent in die Mannschaft. »Wir verstehen das alle nicht. Wenn er etwas mit dem Verein anfangen will, soll er wenigstens Lizenzgebühren und Gehälter bezahlen. Wenn er den Verein zu Geld machen will, müsste er versuchen, die Spieler zu verkaufen. Doch er macht gar nichts«, meint Bacchi ratlos.

In Italien hat die Geschichte inzwischen Wellen geschlagen. Die landesweiten Medien berichteten. Pro Patria ist bei weitem nicht der einzige Verein in finanziellen Schwierigkeiten. Für Verwunderung südlich des Kernlandes der Lega Nord sorgt allerdings, dass sich ausgerechnet in dem Gebiet mit einem der höchsten Pro-Kopf-Einkommen niemand findet, der dauerhaft den heimischen Klub unterstützen will. Nicht einmal der Name Pro Patria (Fürs Vaterland) vermag zu locken.

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