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Estland wählt neues Parlament

Rechtsliberale liegen in den Umfragen vorn

  • André Anwar, Stockholm
  • Lesedauer: 2 Min.
Die neue Regierungspartei wird ab Samstag in Estland wohl die alte sein. Trotz Wirtschaftskrise und einer harten Sparpolitik gelten die Rechtsliberalen bei den anstehenden Parlamentswahlen als Favorit.

Die ehemals als baltischer Tiger gefeierte EU-Nation Estland kämpft auch nach der Einführung des Euro zum Jahreswechsel mit einer prekären Wirtschaftslage. Auf die Parlamentswahlen am Samstag scheint die estnische Krise jedoch keine Auswirkungen zu haben. Laut Umfragen führt die rechtsliberale Reformpartei des amtierenden Ministerpräsidenten Andrus Ansip bislang in sieben der zwölf Wahlkreise vor der linksliberalen Zentrumspartei.

Das Zentrum, das in den weiteren fünf Wahlkreisen in Führung liegt, wird auch von der laut EU noch immer diskriminierten russischen Minderheit im Lande gewählt und kämpft derzeit mit einem Skandal. Demnach soll Parteichef Edgar Savisaar kürzlich von Moskau 1,5 Millionen Euro erhalten haben, um Russlands Einfluss in der baltischen Republik zu erweitern. Die Zentrumspartei wies die Anschuldigungen als Wahlkampflüge der regierungstreuen Medien zurück.

Aber Ansips bürgerliche Regierung führt seitdem laut Umfrage mit über 15 Prozent. Der seit 2005 amtierende Ministerpräsident bleibt trotz seiner Sparpolitik für viele Esten der glaubwürdigste Garant für eine Zukunft im Wohlstand. Dieser ist in Ansips Amtszeit jedoch deutlich zurückgegangen. Der vor allem von schwedischen Banken mit großzügigen Kreditvergaben ohne reale Deckung ins Land gepumpte Aufschwung brach 2008 zusammen. Banken und IWF legten der Ostseenation einen drakonischen Sparplan auf. Das Bruttoinlandsprodukt sank von sieben Prozent im Jahr 2007 auf minus 13,9 Prozent 2009. Heute zählt Estland zu den ärmsten Ländern der EU. Der öffentliche Dienst – von Schulen, Polizei bis Krankenhäusern – wurde empfindlich beschnitten. Massenentlassungen und Lohnkürzungen bis zu 40 Prozent wurden ohne Protest hingenommen. Keine Streiks, keine Staatskrisen, eine zahme Opposition.

Wichtig im Wahlkampf des 2004 der EU und NATO beigetretenen Landes ist laut Erhebung von Eurobarometer für 61 Prozent der Bevölkerung die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Von den 1,3 Millionen Esten waren Mitte Februar 10,4 Prozent offiziell arbeitslos gemeldet. Die minimalen Sozialleistungen (maximal 70 Euro bei Durchschnittslöhnen von 800 Euro und Minimallöhnen von 280 Euro) dürften nochmals über 10 Prozent von der Registrierung abhalten.

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