Kommt der unbefristete Streik?

Sven Grünwoldt über die Ausweitung des Lokführerarbeitskampfes / Grünwoldt ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL)

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Kommt der unbefristete Streik?

ND: Viele Medien haben berichtet, nachdem in der Urabstimmung eine große Mehrheit der Lokführer für Streik gestimmt hat, dass im Bahnverkehr unbefristete Streiks drohen. Stimmt das?
Grünwoldt: Die mediale Öffentlichkeit vermittel meist, dass nach einer Urabstimmung unbefristete Streiks folgen. Formaljuristisch ist das wohl richtig, aber wir befinden uns hier im Eisenbahnverkehrsmarkt und haben da eine besondere Verantwortung. Streiks unterliegen dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit, daran werden wir uns halten. Von unbefristeten Streiks sprechen wir deshalb nicht. Aber wir werden die Streiks ausweiten.

... heißt konkret?
In der Tarifrunde 2007 hatten wir am Ende einen 62-stündigen Ausstand. An dem Punkt sind wir noch lange nicht. Wir werden die Maßnahmen, die bisher auf zwei bis drei Stunden begrenzt waren, schrittweise ausweiten. Dabei liegt unser Fokus auf dem Güterverkehr der Deutschen Bahn, um die Reisenden etwas zu schonen.

Und ab wann wird gestreikt?
Es ist noch in dieser Woche mit Maßnahmen zu rechnen. Über den konkreten Beginn werden wir wie zugesagt jeweils zwölf Stunden vorher informieren.

Wieso haben Sie jetzt den Fokus auf den Güterverkehr verschoben? Durch die Ausweitung auf den Güterverkehr bei der Deutschen Bahn steigt der Druck auf die Arbeitgeberseite.
Das ist uns klar. Aber wir werden auch bei den großen Unternehmen des Schienenpersonennahverkehrs – den so genannten G 6 – die Streiks ausweiten, weil es dort eine komplette Verweigerung gibt, mit uns über den bundesweiten Flächentarifvertrag für Lokführer zu verhandeln. Aber es ist auch klar, dass wir nicht streiken wollen, sondern verhandeln.

Was muss die Deutsche Bahn vorlegen, damit Sie an den Verhandlungstisch zurückkehren?
Die DB ist zwar grundsätzlich bereit, über den Flächentarifvertrag zu sprechen, präsentiert uns diesen aber nicht auf dem Silbertablett. Das letzte Angebot sah für berufserfahrene Lokführer ein Einkommen vor, das monatlich 100 Euro unter den bestehenden Tarifverträgen liegt. Das würde mittelfristig eine Einkommensabsenkung bei 90 Prozent der Lokführer bedeuten, und das ist mit uns nicht zu machen. Darüber hinaus läuft derzeit mit der DB eine Einkommenstarifrunde. Wir haben fünf Prozent gefordert, die Bahn hat uns 1,9 Prozent angeboten. Das Angebot der Bahn hat zudem nur dann Bestand, wenn wir bereit sind, eine Stunde länger ohne Lohnausgleich zu arbeiten. Das hängt mit dem Ende des Jahres auslaufenden Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung von 2005 zusammen.

Im aktuellen Konflikt hat sich der SPD-Politiker Peter Struck, der auch schon im Streit um den Flächentarifvertrag im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) vermittelt hat, als Schlichter angeboten. Wieso hat die GDL das Angebot abgelehnt?
Das ist einfach zu beantworten. Einerseits hat Herr Struck sich in der Öffentlichkeit dahingehend positioniert, dass sich das Ergebnis eines Flächenvertrages für Lokführer nur auf dem Niveau des Branchentarifvertrages im SPNV bewegen dürfe. Dieser Vertrag liegt mindestens 6,5 Prozent unterhalb der Tarife der Deutschen Bahn. Zweitens hat sich Struck in der Tarifauseinandersetzung 2007 hinter den damaligen Bahnchef Hartmut Mehdorn gestellt und gesagt, man dürfe der GDL bei einem eigenen Flächentarifvertrag für Lokführer nicht nachgeben. Darum kommt er als Schlichter für uns nicht in Frage.

Fragen: Jörg Meyer

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