Am Ende schwirrten die Köpfe

Parteigrößen nutzten den Politischen Aschermittwoch weidlich

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Politische Aschermittwoch ist nicht nur in die Jahre gekommen, sondern auch in den Ruf, dass von ihm nicht mehr viel zu erwarten ist. Das kommt wohl auf die Erwartung an.

Eine Kollegin der Süddeutschen Zeitung erinnerte vor diesem bierseligen Tag, dem Politischen Aschermittwoch, an dessen Geschichte: Von alters her seien die Bauern einmal im Jahr an die Donau nach Vilshofen gezogen zum dortigen Viehmarkt, wo es neben Käse und Bier in den Kneipen auch Politik gab. Der beste Redner hatte die meisten Zuhörer und machte den Wirt glücklich.

So ist es noch heute. Neben ein wenig Politik und sehr viel Bier gibt es vor allem Käse – zu hören. Und wirklich glücklich sind am Schluss immer noch vor allem die Wirte. In Vilshofen versuchte sich der bayerische SPD-Landesvorsitzende, der wie immer frisch aus dem Ei gepellte Florian Pronold, so gut er konnte am politischen Mittel der Diffamierung. Sein Opfer kann das ab. Es handelte sich um den ehemaligen Generalsekretär der CSU Markus Söder, ein Mensch, der das Poltern wie ein ehemaliger Viehtreiber samt Herde auf einer Holzbrücke beherrscht, ohne kaum mehr zu bewegen als seine Lippen. Dieser Söder, so der gepellte Pronold, »der aussieht, als hätte er sein Leben lang verstrahlte Pilze gefressen«, sei »sich nicht zu blöd«, die Sicherheit der Menschen für die Profitinteressen von vier großen Stromkonzernen zu opfern. Pronold spielte auf die Verlängerung der Atomkraftwerkslaufzeiten an, aber das spielte eigentlich nur eine untergeordnete Rolle.

Die SPD hat in Bayern bekanntlich nicht viel zu melden in der Landespolitik, aber seit der Hamburger Wahl vor zwei Wochen, die mit einer absoluten Mehrheit der Sozialdemokraten endete, wirken ihre Funktionäre wie im Rausch. Noch deutlicher wurde das bei Frank-Walter Steinmeier, dem Fraktionschef im Bundestag, der nach Pronold sprach und bei der begeisterten Zuhörerschaft offenbar die Illusion zu wecken vermochte, dass die SPD praktisch mit einem Bein bereits wieder in der Bundesregierung steht. Der CSU wiederum warf Steinmeier im gleichen Atemzug vor, unter Drogen zu stehen und meinte damit die Von-und-zu-Droge Guttenberg, Karl Theodor, Lügenbaron (Pronold) und soeben zurückgetretener Verteidigungsminister. Dieser habe der CSU praktisch einen dauerhaften Trip verschafft, so Steinmeier, und ihr den Blick auf die Realitäten erspart, weshalb sie nun Mühe habe, wieder clean zu werden. Bayern habe aber mehr verdient als eine CSU auf Entzug.

Den eigenen Realitätsverlust übersehend, träumte Steinmeier ausgiebig von wieder kletternden roten SPD-Balken in der Fernsehberichterstattung über Landtagswahlen. »Hamburg war erst der Anfang – Fortsetzung folgt«, sagte er für dieses Jahr voraus. Und ebenfalls kaum schlüssig prophezeite er das Ende von Schwarz-Gelb: »Die schaufeln sich ihr eigenes politisches Grab, und am Ende, das sage ich euch voraus, werden sie selbst drin liegen.«

Horst Seehofer, der da noch keine Details der Steinmeier-Rede kennen konnte, wagte in Passau am »größten Stammtisch der Welt« – so die CSU-Eigenwerbung – unverzagt die Voraussage, dass die CSU in Bayern wieder die absolute Mehrheit erringen werde. Und zwar weil sie sich »bis zur letzten Patrone« gegen Zuwanderung aus fremden Kulturkreisen sträube, sich von den linken »Stasikommunisten« nicht sagen lasse, wie »wir unsere bayerische Heimat regieren« und weil sie Guttenberg die Treue hält. Seehofer unter frenetischem Beifall: Er werde alles tun, »damit Karl-Theodor wieder in die bayerische, in die deutsche Politik zurückkehrt«.

In Tiefenbach bei Passau hielt der Vorsitzende der LINKEN Klaus Ernst eine feurige Ansprache, die auf jeden Parteitag gepasst hätte. Immerhin über Guttenberg fand er lustigere Worte als Gregor Gysi, der nach ihm sprach. Guttenberg habe den Vorwurf des Plagiats zurückgewiesen und das Abschreiben einen »Zitierfehler« genannt – »dann kann man künftig Ladendiebstahl als Einkaufsfehler bezeichnen.«

Guido Westerwelle, Außenminister und Chef einer beschädigten FDP, beschwor den Politikwechsel, den seine Partei in der Regierungskoalition zuwege gebracht habe. Auch Renate Künast versuchte es mit einer von vornherein ernst gemeinten Rede. »Warum Merkel es nicht kann«, war ihr Thema, und den Zuhörern schwirrte am Ende nicht nur vom Bier der Kopf.

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