Sind Regionalzeitungen bedroht?

Martin Dieckmann über die Tarifverhandlungen im Medienbereich / Dieckmann ist ver.di-Fachbereichsleiter Medien, Kunst und Industrie in Hamburg

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Sind Regionalzeitungen bedroht?

ND: Derzeit laufen bundesweit Tarifauseinandersetzungen für Redakteure. Ab April kommen die Verlags- und Drucktarifverträge hinzu. Wie bewerten Sie die Verhandlungen?
Dieckmann: Die Zeitungsverleger wollen künftig Jungredakteure und Kollegen, die den Verlag wechseln oder von ihrem Verlag zu einer Vertragsänderung gedrängt werden, zu 25 Prozent niedrigeren Konditionen beschäftigen. Wir sehen darin aber auch eine Chance, ganze Betriebe in gemeinsame gewerkschaftliche Aktionen zu führen. Schwierig ist es im Zeitschriftenbereich. Da haben wir nun bald zwei Jahre eine »tarifoffene« Situation, was ziemlich einmalig in unserer Tarifgeschichte ist.

Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Lage der einzelnen Bereiche?
Klar ist, dass wir es nicht mit expandierenden Märkten – vergleichbar der Exportindustrie – zu tun haben. In der Druckindustrie gibt es ungeheure Überkapazitäten, die zu einem selbstmörderischen Preiskampf führen. Nachgeben bei Tariflöhnen bedeutet hier keinerlei Entlastung struktureller Art. Die eingesparten Personalkosten werden sofort als Preisvorteil an die Kunden weitergeben.

Wie steht es Ihrer Meinung nach um die regionalen Zeitungsverlage?
Der Markt schrumpft seit 20 Jahren. Anfang der 1990er Jahre wurde das überdeckt durch hohe Anzeigenerlöse, während die Leserschaft kontinuierlich schrumpfte. Jede Rezession bringt Rückgänge im Anzeigengeschäft. Die darauf folgenden Konjunkturen gleichen dies nicht aus. Kostenreduzierung sichert das Betriebsergebnis eine gewisse Zeit, ändert jedoch nichts an den strukturellen Faktoren. Auch die von den Verlegern geforderten neuen Vergütungsstrukturen ändern nichts. Sie verlagern das strategische Problem damit auf die Personalkostenseite.

Was bedeutet das für die Tageszeitungen?
Der Konflikt bei den Tageszeitungen zeigt, wie die Verleger entweder die Gewerkschaften, sich selbst oder alle zusammen täuschen: Um die Zeitung als neue Produkte nach vorne zu bringen, braucht man qualifiziertes Personal. Das kostet. Hier gibt es eine hohe Mobilität zwischen Standorten wie Kiel, Rostock, Hamburg, Berlin. Würden wir Tarifeinstiegsstufen, wie die Verleger sie fordern, abschließen, wären die Verleger die Kosten nicht los – sie müssten Geld drauf legen, um gute Kräfte zu bekommen.

Können die steigenden Erlöse, im letzten Jahr um 30 Prozent, bei der Online-Werbung zukünftig die sinkenden Erlöse im Print-Anzeigenbereich ausgleichen?
Mit solchen Zahlen sollte man vorsichtig sein. Meines Wissens publiziert Google seine Werbeerlöse in Deutschland nicht vollständig. Im Online-Werbe-Geschäft sind die regionalen Tageszeitungen nicht gerade die »Avantgarde«. Ob sie hier vorrücken können über ihre publizistischen Angebote, bezweifele ich. Nur wenn sich Tageszeitungen in allen ihren Angeboten auf das Lokale konzentrieren, können sie auf lange Sicht Leser halten.

Lange Zeit haben sich die Verlage über Anzeigen finanziert.
Das war der Grundfehler. Und so musste es schon vor Jahren stutzig machen, als Verleger die »Wiederentdeckung des Lesers« propagierten. Nicht in den Anzeigen- und Werbemärkten steckt die Krise der regionalen Tagespresse, sondern im demografischen Drift: Die regionalen Tageszeitungen altern mit ihren Lesern.

Fragen: Karl Schaaf

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