Die libyschen Wunder

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein paar hundert Aufständische, die eben noch kurz vor der Vernichtung zu stehen schienen, vertreiben die Armee Gaddafis aus einer Stadt nach der anderen. Wie ihnen das gelungen ist, sagen sie treuherzig in jedes Mikrofon: »Allah und die NATO-Flugzeuge haben uns den Sieg gebracht.« Ob Allah diese Waffenbrüderschaft recht ist, blieb bislang unbeantwortet. Aber auch die NATO will sich nicht dazu bekennen. Es gebe keine Abstimmung mit den Aufständischen, heißt es aus Washington.

Was ist nun eigentlich schwerer erklärbar? Dass die – jedenfalls nach den Fernsehberichten hierzulande – nur notdürftig ausgebildeten und nur mit veralteten Schießprügeln bewaffneten Rebellen plötzlich die angeblich modern ausgerüstete Söldnerarmee Gaddafis vor sich hertreiben? Oder dass die US-Administration die Parteinahme für die Aufständischen in Bengasi praktisch als ungewolltes Zufallsprodukt darstellt? US-Verteidigungsminister Gates lässt die Europäer mit derlei Ungereimtheiten allein. Und sorgt für neue.

Aufgescheucht von den Demoskopen, dass die Mehrheit der Menschen im Land von Friedensnobelpreisträger Obama nach Afghanistan und Irak nicht schon wieder Lust auf (Boden)-Krieg hat, räumt das Pentagon jetzt sogar ein, dass der Libyen-Krieg nicht von »zentralem nationalen Interesse« sei. Die zur Begründung der UN-Resolution behauptete Notwendigkeit des Schutzes von Zivilisten scheint Gates für den Durchschnitts-Yankee offenbar nicht mehrheitsfähig. Er begründet den US-Einsatz damit, dass es sonst eine Massenflucht aus Libyen nach Tunesien und Ägypten geben könnte, was die Entwicklungen dort gefährde. Vor Gaddafi flüchtende Revolutionäre als Gefahr für die Revolutionen in Kairo und Tunis – darauf muss man erstmal kommen.

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