»Auf, auf zum Kampf ...«

Geburtstagfeier für Ernst Thälmann in Hamburg mit kritischen Tönen zum Zeitgeist

  • Susann Witt-Stahl
  • Lesedauer: 3 Min.
In seiner Geburtsstadt Hamburg und anderen vielen Städten fanden am Samstag Gedenkfeiern zum 125. Geburtstag von Ernst Thälmann statt.
Gedenkstein für Ernst Thälmann in Berlin ND-
Gedenkstein für Ernst Thälmann in Berlin ND-

Während LINKEN-Chef Klaus Ernst am Samstag auf dem Hamburger Landesparteitag versuchte, verirrte Genossen »auf die richtige Seite der Barrikaden« zu lotsen – im Nachbarbezirk hatten die Teilnehmer einer anderen Veranstaltung von Hansestädtischen Linken keinerlei Orientierungsschwierigkeiten: Rund 100 Freunde von Ernst Thälmann waren nach St. Georg gekommen, um den 125. Geburtstag des 1944 von den Nazis ermordeten Hafenarbeiters und Vorsitzenden der KPD zu feiern.

Mit welchen Problemen Kommunisten zu kämpfen haben, die Erinnerungsarbeit leisten wollen, machte ihr erster Vorsitzender Hein Pfohlmann mit einer Frage deutlich: »Warum haben die neuen Geschichte-Umschreiber so viel Angst vor dem Namen Thälmann, dass Plätze, Schulen umbenannt, Straßenschilder entfernt werden?« DKP-Vorsitzende Bettina Jürgensen hob vor allem die Erkenntnisse aus den Erfahrungen und historischen Fehlern von Thälmann und Genossen hervor: »Wir lernen daraus, dass die Politik der Aktionseinheit, die Bildung von Bündnissen bis hin zu klassenübergreifenden gesellschaftlichen Allianzen, Voraussetzung ist, um die weitere Rechtsentwicklung zu stoppen.« Aber auch Jürgensen übte scharfe Kritik an den »Geschichtsfälschungen« beispielsweise bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit.

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Freidenker-Verbandes Klaus Hartmann mahnte, »die Unteilbarkeit des Schwurs ›Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!« zu verteidigen«. Dass der grüne Ex-Außenminister Joseph Fischer ihn durch »Nie wieder Auschwitz« ersetzt habe, um den »Überfall auf Jugoslawien« ideologisch zu legitimieren, käme »einer zweiten Auschwitzlüge gleich«. Der »imperialistischen Perversion der als ›humanitäre Interventionen‹ getarnten Raubkriege müssen wir entschiedenen Widerstand entgegensetzen«, sagte Hartmann und forderte einen »Stopp der NATO-Aggression gegen Libyen«.

Auch der ehemalige DDR-Staatsratsvorsitzende Egon Krenz ließ in seiner Rede für den »aufrechten, standhaften Kommunisten« keine musealen Gefühle aufkommen. Er packte ein heißes Eisen an: Die Debatte um die K-Frage. Die sei in Wahrheit eine »Antikommunismusdebatte«. Allein der Begriff Kommunismus reiche heute aus, »um Linke mit oder ohne Parteibuch zu ächten«. Aber: »Stalin war nicht der Kommunismus, sondern seine Perversion, Pol Pot nicht ein Kommunist, sondern ein Massenmörder und die Mauer nicht ein Bauwerk des Kommunismus, sondern des Kalten Krieges.« Auch Krenz wies die herrschende Geschichtsschreibung zurück: Thälmann sei »nicht unfehlbar« gewesen, aber unter dem Deckmantel des »Kampfes gegen den Stalinismus« werde versucht, seine »historische Rolle zu verkleinern«. Zum Ausklang der Feierlichkeiten schlug der Sänger und Gitarrist Achim Bigus hoffnungsvolle Töne an – die alten Arbeiterkampflieder: »Auf, auf zum Kampf...« und schließlich die »Internationale«.

Einer wirkte besonders ergriffen: Alexander Kozhevnikov war für diesen Tag vom Ural aus Jekaterinburg nach Hamburg gekommen: »Für mich zählt Ernst Thälmann wegen seines Heroismus und seiner Opferbereitschaft zu den größten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts«, sagte der Arbeiter und Kommunist. Auch in anderen Städten der Republik wurde Thälmanns Geburtstag zelebriert. Ehrungen fanden am Ort der 2010 abgerissenen Gedenkstätte Ziegenhals, in Chemnitz, Cottbus, Frankfurt/Oder und in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald statt.

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