Angriff aus dem Stall

Massiver Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung macht Medikamente wirkungslos

  • Eva Mahnke
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor einer zunehmenden Antibiotika-Resistenz von Krankheitserregern. Nach Ansicht der Organisation trägt auch die industrielle Tierhaltung massiv zu diesem Problem bei.

»Die Welt steht kurz davor, ihr Wundermittel zu verlieren«, sagte WHO-Generalsekretärin Margaret Chan in alarmierendem Ton. »Die unvernünftige und falsche Verwendung von Antibiotika ist die mit Abstand wichtigste Ursache für die Ausbildung von Resistenzen.« Diesen falschen Umgang sieht Chan nicht nur in der Medizin. »Das Problem entsteht auch dadurch, dass bei der Tierproduktion Medikamente eingesetzt werden, die auch der Behandlung menschlicher Krankheiten dienen.«

Wie in der Humanmedizin werden Antibiotika bei Tieren zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt. In großem Stil werden sie aber auch präventiv verabreicht, um Infektionen zu verhindern. Darüber hinaus kurbeln sie das Wachstum der Tiere an. Der massive Einsatz der Medikamente beschleunigt den Anpassungsprozess der Bakterien und ermöglicht es ihnen, sich praktisch im Zeitraffer gegen die Mittel abzuhärten. Gefährlich wird es dann, wenn sich solche Resistenzen auf Krankheitserreger beim Menschen übertragen. Nach Angaben der WHO trägt die Tierproduktion mit etwa der Hälfte aller verwendeten Antibiotika dazu bei, dass es immer schwieriger wird, Infektionskrankheiten wirksam zu behandeln.

Das Europäische Zentrum für Lebensmittelsicherheit redet diesen Zusammenhang klein: »Der Einsatz von Antibiotika in der Viehzucht«, schreibt die Organisation auf ihrer Homepage, »wurde auch verdächtigt, eine der Ursachen für das Auftreten von antibiotikaresistenten Bakterien zu sein, obwohl die verbreitetste Ursache dafür tatsächlich in einer schlechten Handhabung von Medikamenten bei der Behandlung von Krankheiten des Menschen ist.« Finanziert wird das Zentrum allerdings zu großen Teilen von Unternehmen, zu denen auch der Konzern Pfizer Animal Health gehört. Der macht 60 Prozent seines Umsatzes in der industriellen Tierhaltung und hat auch verschiedene Antibiotika in der Produktpalette.

Zwar ist in der EU die Verwendung der Medikamente als Wachstumsbeschleuniger seit 2006 verboten. Die European Food Safety Authority, eine Einrichtung der Europäischen Union, die aus EU-Haushaltsmitteln finanziert wird, stuft die Entwicklung bei auf den Menschen übertragbaren Erregern dennoch als »besonders besorgniserregend« ein. Ihrem jüngsten Report vom Juli 2010 zufolge sind diese vermehrt gegen gerade die Antibiotika resistent, die für die Humanmedizin besonders wichtig sind.

Der Landwirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf. In einer Mitteilung vom 12. April kritisierte der Ausschussvorsitzende Paolo de Castro insbesondere, dass Antibiotika nicht nur für die Behandlung akuter Krankheiten eingesetzt, sondern auch präventiv verfüttert würden. Der Ausschuss fordert deshalb eine Form der Tierhaltung, die langfristig ohne Antibiotika auskommt.

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