Nigeria vor neuer Zerreißprobe

Sieg Jonathans stößt auf Wut im Norden

  • Thomas Nitz
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach Unruhen in Nordnigeria hat Präsident Goodluck Jonathan zu Besonnenheit aufgerufen. Nach offiziellen Angaben gewann der christliche Politiker die Präsidentenwahl am Sonnabend mit 57 Prozent der Stimmen.

Nigerias alter Präsident ist auch der neue: der 53-jährige Goodluck Jonathan. Sein wichtigster Herausforderer – Exdiktator Muhammadu Buhari – kam auf 31 Prozent und lag damit deutlich hinter dem Amtsinhaber, der 57 Prozent auf sich vereinigen konnte.

Vor allem im christlich dominierten Süden und in den zentralen Bundesstaaten verbuchte Jonathan hohe Gewinne. Aber auch in einigen Regionen des Nordens setzte er sich durch. Um zu vermeiden, dass der Präsident nur eine Region oder Ethnie vertritt, muss er verfassungsgemäß in mindestens 24 der 36 Bundesstaaten die Mehrheit und in den restlichen Bundesstaaten mindestens 25 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. In den meisten muslimisch geprägten Bundesstaaten im Norden hatte Buhari die Nase vorn. Obwohl ihm viele Wähler sein Bekenntnis zur Demokratie nicht abnehmen, denn Buhari hatte sich 1982 an die Macht geputscht und Nigeria bis 1985 als Militärmachthaber regiert.

Trotz einiger Zwischenfälle sind die Wahlen weitgehend friedlich und ohne größere Unregelmäßigkeiten verlaufen. Allerdings wurden Jonathans Siege in einigen südlichen Bundesstaaten mit mehr als 95 Prozent mit Skepsis zur Kenntnis genommen. Trotzdem bezeichneten Wahlbeobachter die Abstimmung als die korrekteste seit Jahrzehnten. Bereits am Sonntag sagte der europäische Chefbeobachter Alojz Peterle: »Unsere Mitarbeiter haben so gut wie keine gewaltsamen Ausschreitungen gemeldet.« Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Wahlbehörde bei rund 50 Prozent. Insgesamt standen 19 Kandidaten zur Wahl.

Doch keine 24 Stunden nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse aus den überwiegend von Muslimen bewohnten Bundesstaaten Gombe und Bauchi schlugen die Enttäuschten los. Häuser von Funktionären der regierenden Demokratischen Volkspartei (PDP) wurden niedergebrannt, Christen wurden angegriffen und geschlagen. Nach Medienberichten kamen mindestens zehn Menschen ums Leben. Tausende Christen sind in Nordnigeria auf der Flucht. Nach Angaben des nigerianischen Roten Kreuzes suchten viele in der Nacht zum Dienstag in Polizeistationen Zuflucht, da sie sich in ihren Häusern nicht sicher fühlten.

Jonathans Aufgabe wird es sein, für Aussöhnung zu sorgen. Der studierte Zoologe aus dem ölreichen Nigerdelta ist kein charismatischer Führer. Im Wahlkampf schlug er immerhin versöhnliche Töne an. Die braucht Nigeria, um nicht auseinanderzubrechen.

Jonathans PDP regiert das Land seit dem Ende der Militärherrschaft 1999. Dabei ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass sich ein Christ aus dem Süden und ein Muslim aus dem Norden an der Spitze des Staates abwechseln. Jonathan kam 2007 außerplanmäßig nach dem Tod des muslimischen Präsidenten Umaru Yar’Adua an die Macht. Nun bleibt er. Die Muslime in Nigeria dürften sich wieder einmal benachteiligt fühlen.

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