Bruchpilotin von der Leyen

  • Brigitte Zimmermann
  • Lesedauer: 3 Min.
Flattersatz: Bruchpilotin von der Leyen

In unserer Welt des Schöntuns muss man mächtig auf der Hut sein. Blendwerk gehört zu den unvermeidlichen Erscheinungen. Zwar werden dennoch niemals die Letzten die Ersten sein, das fehlte noch. Aber immerhin können dafür die Ersten aus dem Rampenlicht schnell mal ins unbeleuchtete Hintertreffen geraten. Weil die Eliten halt auch nicht mehr das sind, was sie früher mal waren. Und zudem immer welche meinen, auf höchster Ebene noch schöner scheinen zu können als alle bisher Dagewesenen. Mitleid braucht es aber keines, die Abfindungsregelungen da oben sind günstig.

Der Normalbürger sollte indes zweifeln, wenn medial wieder ein Meister oder eine Meisterin aller Klassen gefeiert wird. Denn wer erinnert sich heute noch an unlängst hoch gelobte Konzernbosse wie Jürgen Schrempp (Mercedes), Ron Sommer (Telekom), Wendelin Wiedeking (Porsche), Thomas Middelhoff (Arcandor, sprich Karstadt), Heinrich von Pierer (Siemens, Kanzlerin-Berater) oder Kai-Uwe Ricke (ebenfalls Telekom)? Da muss man zufällig auf die Liste einstiger »Manager des Jahres« geraten. Oder die wenig auffällig platzierten Nachrichten über Prozesse lesen, die gegen einige von ihnen laufen. Selbst der virtuose Anzugträger und Plagiator zu Guttenberg wird vorerst dem Vergessen anheim fallen. Und bei anderen weiß man das schon heute, obwohl sie leider noch hyperaktiv sind. Denn was soll einen verbinden mit dem CDU-Lautsprecher Volker Kauder (Fraktionschef) oder der schwäbelnden FDP-Frontfrau Birgit Homburger (Fraktionschefin)? Bestenfalls Pawlowsche Fluchtreflexe, wenn sie ein Mikrofon entern. Diese Reflexe treten jetzt sogar in deren eigenen Parteien auf.

Sollte im Fernsehen zu den inflationären Umfragen (Die beliebtesten Lieder/Entertainer/Bauwerke/Tiere des Nordens, des Westens usw.) auch noch eine über die größten Selbstdarsteller angeboten werden, müsste Ursula von der Leyen ein Spitzenplatz sicher sein. Auch bei ihr liegen deutliche Anzeichen des Guttenberg-Syndroms vor: Immer auf der Suche nach dem besten öffentlichen Licht, ohne den Sachstand und das notwendige Maß der Arbeit daran wirklich zu kennen. Bei Guttenberg stellt sich jetzt heraus, dass die Bundeswehrreform, für die er sich belobigte, nicht mal richtig auf dem Papier steht. Sein Nachfolger hat zu tun, Guttenbergsche Plaudereien und reale Voraussetzungen in Einklang zu bringen. Auch Frau von der Leyen hat sich mehrfach als Bruchpilotin erwiesen, wenn es um die konkrete gesetzliche Ausgestaltung des Schönredens ging.

Das begann bereits 2006 mit dem Gesetz über das Elterngeld, das sie an der Spitze ihrer Liste der guten Taten führt. Nur war das Werk so ungereimt, dass es am Kabinettstisch der Großen Koalition scheiterte. Erst eine parteiübergreifende Aktion von Ministerinnen des damaligen Kabinetts Merkel sanierte das Ganze in annahmefähigen Zustand. Bruchlandung auch beim Gesetz über die Internetsperren für pornografische Seiten. Die neue Merkel-Regierung hob es jetzt auf. Löschen reicht, meinen zuständige Ermittler. Vor der Annahme des Gesetzes beschäftigte von der Leyen die Öffentlichkeit lange mit der Idee, die Sache auf der Basis von Selbstverpflichtungen der Provider zu regeln, was Verweigerern der Aktion eine Marklücke gesichert hätte. In der Sache folgenlose Medienthemen waren auch ihr Einfall, Hartz IV in »Basisgeld« umzutaufen und 30 Prozent Frauenanteil bei Führungspositionen in der Wirtschaft festzulegen. Die Kanzlerin blieb jeweils nicht amüsiert.

Im rumpeligen Sinkflug befindet sich nunmehr auch das so genannte Bildungspaket für bedürftige Kinder, mit dem von der Leyen punkten will, nachdem sie zwischen all ihrem Mediengetöse eiskalt Elterngeld und Rentenzuschuss für Langzeitarbeitslose gestrichen hat. Das Bildungspaket, erst seit Ende März in Kraft, musste bereits nachgebessert werden, da das bürokratische Monster die Gemeinten überfordert und nicht erreicht.

Aber vielleicht gibt ihr ja der Fall Guttenbergs doch noch zu denken.

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