»Morgen werde ich gehenkt«

Ausstellung über GewerkschafterInnen unter dem Naziterror im Berliner DGB-Haus eröffnet

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.
Eine neue Wanderausstellung soll an den gewerkschaftlichen Widerstand gegen die Herrschaft der Nazis erinnern.

Die vom Gewerkschafter und Widerstandskämpfer Wilhelm Leuschner überlieferten letzten Worte: »Morgen werde ich gehenkt. Schafft die Einheit!«, stünden für die GewerkschafterInnen unter dem Naziterror, denen die Ausstellung gewidmet ist. »Uns eint das entschiedene Eintreten gegen die Menschenverachtung«, sagte DGB-Vize Annelie Buntenbach. Sie eröffnete am 2. Mai, dem Jahrestag der Zerschlagung der Gewerkschaften im Jahr 1933, gemeinsam mit dem Historiker und Leiter der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, die Ausstellung »Seid wachsam, dass über Deutschland nie wieder die Nacht hereinbricht«.

Zusammen mit Morsch hat Siegfried Mielke von der Freien Universität Berlin in einem Projekt mit Studierenden über Jahre Biografien von GewerkschafterInnen erforscht und aufgeschrieben, die von den Nazis eingekerkert und oft umgebracht wurden. Das Ergebnis ist im Berliner DGB-Haus zu sehen. Übersichtlich und ansprechend gestaltete großflächige Schautafeln, bebildert mit Dokumenten und Porträtfotos der GewerkschafterInnen, erzählen Geschichten von Leid und Folter aber auch von Widerstand und Wiederaufbau nach dem Ende der Nazis. Ergänzt wird die Ausstellung mit einer 240-seitigen Broschüre, die vier Euro kostet.

Viele derer, die den Terror überlebt haben, waren am Wiederaufbau der Gewerkschaften beteiligt. Beispielsweise Willi Rößler: Der 1884 in Halle geborene gelernte Former und Mitglied von SPD und USPD war ab 1918 Geschäftsführer des Deutschen Metallarbeiterverbandes (heute IG Metall) in Halle. Von der Gestapo 1935 verhaftet und in Verhören brutal misshandelt, überlebte er bis 1945 die KZ Sachsenburg, Buchenwald und Dachau. Nach der Befreiung 1945 kehrte er nach Halle zurück, trat wieder in die SPD ein und später in die SED. Nach Streit und Parteiausschluss flüchtete Rößler 1948 nach West-Berlin und weiter ins Ruhrgebiet. Bis zur Rente 1954 war er dort IG Metall-Sekretär und nahm 1949 am Gründungskongress des DGB teil. Rößler starb 1959.

Seine Biografie wie auch die von vielen anderen GewerkschafterInnen sind heute fast vergessen. Allein das macht die Ausstellung wichtig. Aber nicht nur: Für Günter Morsch ist sie ein »Gegengewicht gegen die offizielle Gedenkkultur in Deutschland«. Es sei »heute ohne öffentlichen Widerspruch wieder möglich, über den deutschen Widerstand gegen die Nazis zu reden, ohne den gewerkschaftlichen Widerstand auch nur mit einer Silbe zu erwähnen«.

»Seid wachsam, dass über Deutschland nie wieder die Nacht hereinbricht. Gewerkschafter in Konzentrationslagern 1933-1945.« Noch bis 30. Juni im DGB-Haus am Hackeschen Markt, Berlin. Montag bis Samstag, 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal