Selbstlob mit vielen Fragezeichen
Im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sparte man nach der UNO-Konferenz für die am wenigsten entwickelten Länder in Istanbul nicht mit Selbstlob. Die konservativ-liberale Regierung in Berlin zeigt sich hoch zufrieden, dass die »zentrale Rolle des Privatsektors« im Abschlussdokument ebenso hervorgehoben wird wie die Beachtung der Menschenrechte in den »Least Developed Countries« (LDC). Ihre gute Regierungsführung müsse überhaupt die Voraussetzung für Unterstützung sein, nicht das Ergebnis. Eine solche Kausalität ist bei aller gebotenen Betonung von Eigenverantwortung und -anstrengung bei den Ärmsten der Armen allerdings fatal. Und sie lässt fragen, wie gut denn die Reichen ihre Hilfe organisiert haben, wenn sich die Zahl der unterentwickelten Länder seit 1971 auf 48 verdoppelt hat.
Während die Industrieländer ihre eigenen Interessen schützen, haben sie die LCD-Staaten zur Liberalisierung und zum Freihandel gezwungen, ohne Rücksicht auf die Folgen. Auf den Prüfstand gehören da etwa Themen wie die Börsenspekulation mit Nahrungsmitteln, der Landraub durch Großinvestoren, der Einsatz von genetisch verändertem Saatgut und die Produktion von Biosprit. Oder ein bedingungsloser Schuldenerlass samt Überprüfung der Rolle von Weltbank und IWF. Statt im Dienste des Privatsektors Wirtschaftsbilanzen und Staatshaushalte zu sanieren, müsste Unterstützung zuerst den rund 880 Millionen betroffenen Menschen zugute kommen und ihre Lebensbedingungen nachhaltig verbessern. Solange die herrschende Weltordnung nicht verändert und globale Gerechtigkeit nicht zum Grundsatz von Entwicklungskonferenzen gemacht wird, wirkt die Forderung nach guter Regierungsführung wie ein Feigenblatt. Zumal, wenn wie in Istanbul – von einem Impfprogramm abgesehen – eigene bindende Zusagen ausbleiben.
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