Geschasst

Sergej Mironow verlor seinen Posten als dritter Mann im Staate Russland

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.

»Putin hat's gegeben, Putin hat's genommen«, kommentierte ein kommunistischer Abgeordneter die Abberufung Sergej Mironows aus dem Föderationsrat. Das Stadtparlament von Sankt Petersburg, das ihn als seinen Interessenvertreter in das Oberhaus des russischen Parlaments delegiert hatte, entzog Mironow am Mittwoch seine Vollmachten, womit der 58-jährige studierte Geophysiker zugleich sein Amt als nominell dritter Mann im Staate verlor.

Formaler Anlass war die Mai-Kundgebung seiner Partei »Gerechtes Russland«, auf der Mironow Petersburg als die korrumpierteste Stadt in ganz Russland bezeichnete und Oberbürgermeisterin Valentina Matwijenko persönlich angriff. Überhaupt habe er die Interessen seiner Heimatstadt im Föderationsrat schlecht vertreten, warfen die Stadtverordneten Mironow vor, er habe selbst »Putin verraten«. Der so Gescholtene klagte über eine »Hexenjagd«.

»Gerechtes Russland« war von Polittechnologen im Kreml 2006 als pseudo-oppositionelles linkes Pendant zum »Einigen Russland« aus der Taufe gehoben worden, um der KP Wähler abspenstig zu machen. Immer wenn er diesen Auftrag ernst nahm, stieß Mironow jedoch auf den Allmachtsanspruch der Einheitsrussen. Das Maß voll machte wohl seine Weigerung, die »Gerechten« Putins neuer Sammlungsbewegung »Gesamtrussische Volksfront« zuzuführen, die dem Regierungschef bei den Dumawahlen im Dezember die nötigen Mehrheiten organisieren soll. Dessen Umgebung soll daher beschlossen haben, der Partei Mironows die staatlichen Ressourcen zu entziehen und ihre Strukturen dadurch lahm zu legen.

Die Rechnung könnte aufgehen. Mironows Amtsenthebung hat die Partei faktisch gespalten. Ein Teil versucht, an »Einiges Russland« anzudocken, ein anderer erwartet einen Neustart als »echte« sozialdemokratische Oppositionspartei. Mehrere Duma-Abgeordnete boten Mironow bereits die Übertragung ihres Mandats und den Vorsitz ihrer Fraktion an. Er bekäme dadurch die Möglichkeit, bei Debatten sein Profil zu schärfen, um der Partei neue Wähler zuzuführen. Seine Gegner setzen indes darauf, dass der uncharismatische Weißbart mit der Rolle eines Hoffnungsträgers völlig überfordert ist.

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