Brief aus Milwaukee

Geschäftspraktiken der Deutschen Bank erneut am Pranger

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Aktivisten einer Bürgerinitiative aus den USA protestieren seit Langem gegen Immobilienpraktiken der Deutschen Bank. Diese versprach vor einem Jahr Gespräche – geändert hat sich nichts.

Wenn Vorstandschef Josef Ackermann am heutigen Donnerstag bei der Hauptversammlung der Deutschen Bank in Frankfurt am Main neue ehrgeizige Renditeziele verkündet, könnte ein Brief aus Amerika die Freude mancher Aktionären am Jahresergebnis trüben. So will Mark Fraley, Geschäftsführer der für einen zivilen und sozialen Wandel kämpfenden Bürgerinitiative Common Ground aus Milwaukee (US-Bundesstaat Wisconsin), dem Chefbanker einen persönlichen Brief überreichen. Diesen hat ihm der Oberbürgermeister seiner Heimatstadt, Tom Barrett, mit auf den Weg gegeben. Fraley wird unterstützt vom Dachverbands Kritischer Aktionäre, der seit Jahren besonders fragwürdige Aspekte der Praxis großer deutscher Konzerne anprangert.

Der Brandbrief aus dem Rathaus bringt den Frust der Kommunalpolitik in der krisengeschüttelten Industriestadt am Michigan-See über das Geschäftsgebaren der Deutschen Bank auf den Punkt. Deren Verhalten im Zusammenhang mit massenhaften Zwangsversteigerungen von Immobilien sei »schlicht und einfach unzulänglich« und stehe im Widerspruch zum eigenen Anspruch der Großbank. Statt »dauerhafter Werte« habe sie eine »Spur der Verschandelung« hinterlassen, kritisiert der OB.

Wo sich im 19. Jahrhundert viele deutsche Emigranten niederließen und blühende Industriestandorte mit aufbauten, ist die Deutsche Bank als einer der größten Akteure auf dem Immobilienmarkt jetzt Zielscheibe heftiger Kritik. Denn seit die Zahl der Zwangsräumungen von Häusern durch die Subprime-Hypothekenkrise 2008 sprunghaft angestiegen ist und betroffene Menschen anderswo ein notdürftiges Obdach suchen mussten, wehrt sich Fraleys Organisation mit Hilfe sozialer und kirchlicher Träger gegen die Folgen der Zwangsräumungen. »Unnachgiebig wie kein anderer« gehe dabei die Deutsche Bank gegen Hausbesitzer vor, die mit ihren Raten säumig sind, lautet der Vorwurf.

Fraley und eine weitere Common-Ground-Aktivistin, Susan Giaimo, waren bereits bei der letzten Hauptversammlung der Bank im Mai 2010 mit Unterstützung der Kritischen Aktionäre aufgetreten und hatten dabei von Ackermann die Zusage erhalten, Bevollmächtigte zu einem Gespräch mit der Initiative zu entsenden. Weil der Wunsch von Common Ground nach finanzieller Unterstützung für eine Sanierung und Wiederbelebung der durch Leerstand und Niedergang gebeutelten Stadtteile beim dritten Gespräch mit den Unterhändlern Anfang Mai endgültig auf taube Ohren stieß, stehen die Aktivisten heute bei Ackermann in Frankfurt »wieder auf der Matte«.

Dabei ist ihr Antrag an die Deutsche Bank auf Zahlung einer Entschädigung noch durchaus bescheiden – angesichts der angekündigten Milliardengewinne. Common Ground fordert von ihr neue Hypothekenkredite für qualifizierte Käufer, die die leerstehenden Gebäude selbst nutzen wollen, sowie einen Beitrag zur Instandsetzung und Erhaltung der verfallenden Immobilien in einem Gesamtumfang von 2,5 Millionen Dollar. Angesichts der Mitverantwortung der als Treuhänderin fungierenden Deutschen Bank für die globale Finanzkrise und den in Milwaukee verursachten Flurschaden sei diese Forderung ebenso angemessen wie bescheiden. Schließlich habe auch Wells Fargo, eine ebenfalls beteiligte US-Großbank, Beiträge für den kommunalen Plan zur Wiederbelebung der betroffenen Stadtviertel überwiesen.

Die Kritischen Aktionäre wollen auf der Hauptversammlung neben den Zwangsräumungen in Milwaukee weitere heikle Themen ansprechen. So soll es nach Auskunft von Dachverbandsgeschäftsführer Markus Dufner auch um das Engagement der Deutschen Bank bei der Produktion von Streubomben und der Produktion von Atomstrom gehen.

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