Du sollst einmal im Monat Entkalker nutzen!

Neuer Trend: Ein und die selbe Gebrauchsanleitung liegt zig verschiedenen Gerätemodellen bei

  • Lesedauer: 5 Min.
Technische Tipps in Internet-Foren können brutal lapidar sein: »RTFM«, so lautet oft die Erwiderung auf verzweifelte Hilfsersuchen, »Read the fucking manual«, zu deutsch: Lies gefälligst die verdammte Gebrauchsanleitung! Doch was nutzt die Lektüre, wenn darin nicht nur ein Kaffeemaschinen-Modell beschrieben wird, sondern dreizehn durchaus unterschiedliche Kaffeemaschinen-Modelle?
Ohne »Entleerungsschlauch« geht's auch – dank »Service-Klappe«!
Ohne »Entleerungsschlauch« geht's auch – dank »Service-Klappe«!

Manchmal gerät man schon ins Zweifeln, wenn man Überschriften erzeugt wie: »Hannelore Kraft auf BDI-Linie«. Die SPD-Spitzentante als Sprachrohr der Industrie-Lobbby: Ist das nicht ein bisschen arg zugespitzt? Und: Will man nicht gerade als linker Journalist Gerechtigkeit walten lassen gegen beinahe jedermann – sie also selbst Politikerinnen und Politikern jener Partei zu teil werden lassen, bei der man nicht mehr weiß, ob das »S« vor »PD« nun eher für »Sarrazinistische« oder »Standort-« oder »Sozialschlagschönschwätzende« steht?

Nun, zum Wochenanfang äußerte Kraft sich zum Vorwurf der allzu großen Nähe zum Unternehmerverein – nachdem der »Spiegel«, auf ND-Linie geratend, den Vorwurf freundlicherweise übernommen hatte. »Der Preis der Energiewende darf nicht die Deindustrialisierung sein«, wiederholt Kraft im Interview mit dem Hamburger Magazin artig ihr sinnfreies Sprüchlein. »Da sind Sie auf einer Linie [sic!] mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie«, erwidert einer der beiden Interviewer. Und Kraft bestätigt: »An dieser Stelle hat der BDI ja auch recht.«

Quod erat demonstrandum...


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Wichtig, liebe Freunde des knallharten Themawechsels, ist aber nicht nur, wie der Strom in die Steckdose kommt. Wichtig ist auch, was wir draus machen. Die einen stellen Drucker, Kaffee- und Waschmaschinen damit her und werden vom BDI und Frau Kraft vertreten. Die anderen kaufen und diese Geräte, schließen sie ans Stromnetz an – und haben keine adäquate Lobby.

So wie ich. Durch Alltagsbeobachtungen ist mir aufgefallen: Immer mehr Geräten liegt eine Gebrauchsanleitung bei, die nicht nur das eine erworbene Gerät und dessen Nutzung beschreibt, sondern immer mehr – durchaus unterschiedliche – Geräte abdecken muss.

Wenn eine Gebrauchsanleitung indes für mehrere Drucker reicht, müssen sich diese Drucker entweder sehr ähnlich sein; dann drängt sich die Frage auf, ob ein Modell es nicht auch getan hätte und die anderen Modelle – vom Standpunkt des Gebrauchswertes aus betrachtet – schlicht überflüssig sind. Oder aber all diese Drucker zeichnen sich durch nennenswerte Funktions-Unterschiede aus; dann sollte, dann müsste es für jedes einzelne Modell eine eigenständige Gebrauchsanleitung geben.

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Meine Kaffeemaschine: Manchmal läuft sie über, wenn dieser Einsatz, in den der Papierfilter eingesetzt wird, nach dem Spülen falsch in seine Halterung eingesetzt wird. Warum, ist mir schleierhaft, obwohl ich seit Monaten versuche, die Fehlerquelle zu eruieren. Mir passiert das Malheur nie – ich mache wohl instinktiv alles richtig. Aber ich bin ja nicht der einzige Mensch in dieser Wohnung.

Nun wäre es gut, wenn die Gebrauchsanleitung (schön mit Bild!) beschreiben würde, wie der Einsatz korrekt einzusetzen ist. Ein frommer Wunsch: Mein Gerät kommt als solches nicht vor in der Beschreibung, die sich vielmehr auf allgemeine und ewig gültige Ratschläge beschränkt: Du sollst einmal im Monat Entkalker nutzen!

Oft schon ein Problem: Die Abbildung »des« Gerätes selbst. Die Gebrauchsanleitung meiner Kaffeemaschine verzichtet komplett darauf. Wahrscheinlich sehen all die Maschinen, denen das Büchlein beiliegt, durchaus unterschiedlich aus. Schließlich müssen unterschiedliche Endkäuferpreise gerechtfertigt werden (von denen die Arbeitssklaven in Fernost nur einen Bruchteil sehen, das kann es also nicht sein).

Doch mögen all die Kaffeemaschinen, die zu meiner Gebrauchsanleitung »passen«, auch alle einen eigenen wohl klingenden Namen haben; mögen sie in mannigfaltigen Farben und Formen daherkommen; mögen sie jeweils ihren ganz eigenen schönen Schein erzeugen – eines bleibt ihnen doch gemein: Sie können Filterkaffee brühen. Sonst können sie nix.

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Die – übrigens: kaum ein Vierteljahr alte – Waschmaschine im Badezimmer wollte in diesen Tagen das Waschwasser nicht ablaufen lassen. Was tun? Die Gebrauchsanleitung (auf dem Deckblatt steht schlicht »Waschmaschine«!) hielt unterschiedliche Problemlösungen bereit. Nämlich für »Modelle mit Entleerungsschlauch« und für »Modelle ohne Entleerungsschlauch«. Unter uns: Ich weiß nicht, was das ist: ein »Entleerungsschlauch«. Ich will es nicht wissen, insbesondere nicht wissen müssen oder – wenn doch! – eine reale Chance haben, es wissen zu können.

Irgendwie ließ ich die Lauge dann abfließen: Sukzessive füllte ich einen Fünfzehn-Liter-Eimer zur Hälfte mit ekliger Flüssigkeit. Und zwar ließ ich jeweils rund 0,1 Liter in die sogenannte »Service-Klappe« laufen. Löste sie dann stets aus ihrer Verankerung, wobei ich sorgfältig darauf achtete, dass die Halterungsknöpfchen nicht abbrachen. Und schüttete das Pfützchen in den großen Eimer.

Mit »Entleerungsschlauch« wäre es wohl einfacher gewesen. Aber ist das schwarze Ding an der Seite tatsächlich ein »Entleerungsschlauch«? Oder eher etwas, an dem man nicht ziehen sollte – insbesondere nicht bei meinem Modell? Die universelle Zeichnung gab keinen Aufschluss. Also lieber kein Risiko eingehen: Eine »Service-Klappe« für Mama, eine »Service-Klappe« für Papa....


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Übrigens, wenn Sie mal überhaupt kein Handbuch – auch kein schlecht gemachtes – finden: Es ist exklusiv auf der beigelegten CD, weil so Druckkosten gespart werden können. Oder Sie finden es im World Wide Web: Googeln Sie bitte den Gerätenamen und »Manual« sowie »deutsch«; sofern das nichts nutzt, bitte den Gerätenamen und »Gebrauchsanleitung«.

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Mein Drucker, meine Kaffee-, die Waschmaschine: Alle Hersteller sind durchaus guten Namens, zwei von ihnen standen einst für das, was man mit einigem Recht »Deutsche Wertarbeit« nannte. Auch die beschriebenen Geräte entstammen durchaus nicht der preislichen Unterschicht. Doch offenbar verliert man in Sachen Pfennigfuchserei mittlerweile jedes Maß.

An den Druckkosten zumindest könnte man intelligenter sparen: Niemand braucht wirklich ein Handbuch in zwanzig Sprachen, alleine deshalb nicht, weil die wenigsten von uns zwanzig Sprachen sprechen. (Diejenigen, die tatsächlich so polyglott sind, kommen mit einer einsprachigen Anleitung aus.)

Unter dem Strich wäre es wohl immer noch billiger, für jedes Land nur ein Handbuch drucken zu lassen und beizulegen. Das jedoch sollte einigermaßen exakt und verständlich genau ein Gerät beschreiben. Und zwar nur in den drei oder vier typischen Landessprachen. Eine Utopie? Nein: Das hat Jahrzehnte lang funktioniert, meist einigermaßen ordentlich.

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