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Noch mal ein Stück dümmer

  • Mathias Wedel
  • Lesedauer: 3 Min.

Über den Auftritt von Frau Dr. Angela Merkel beim Empfang des amerikanischen Hosenbandordens, sozusagen der »Goldenen Henne« der Vereinigten Staaten, wird viel gelacht. Vor allem über die Roben der Damen. Ich mag keine Witze über Klamotten und körperliche Unzulänglichkeiten. Denn man kann Frau Merkel nicht ihre ewigen drei Blazer vorwerfen und sich dann vor Schadenfreude auf die Schenkel schlagen, wenn sie mal was anderes anzieht.

Ein anfallartiger Kleiderwechsel verändert den Habitus einer Person (Theaterregisseure setzen gern auf diesen Effekt) – bei Frau Merkel ins Ungute: Wie ein Konfirmandin, die zum ersten Mal vom Eierlikör nippen darf, kichernd und keckernd, hakt sie sich bei Hillary (»beste Freundin« auf Facebook) unter, und die beiden flitzen gackernd aufs Klo, um miteinander das Lipgloss zu tauschen. Die kühle Noblesse des schönen Barak macht Angela kirre, ihre Äuglein flackern, sie knickst und tänzelt, wedelt mit dem Handtäschchen und stammelt wirres Zeug (z.B. »dass das Brandenburger Tor noch eine Weile stehen wird«). Es fehlte nicht viel, und sie fiele mit einem spitzen Schrei in Ohnmacht, wie ein Teenager aus Herne beim Erscheinen von Justin Bieber. Und bei allem steht ein stummer, trauriger, mit märkischer Kartoffelsuppe fehlernährter Herr Sauer in den Kulissen und wagt natürlich nicht, Michelle anzubaggern!

Jetzt heißt es im staatstragenden Feuilleton, Deutschland könne wohl überhaupt niemand mehr rauslassen aufs »internationale Parkett« – Westerwelle verkräht sich dauernd im Ton und die Bundeskanzlerin, kaum ist sie umgezogen, benimmt sich wie eine späte Jungfer im Notstand und fragt Obama, wo sie sich den Orden hinstecken soll! Das Ansehen Deutschlands in der Welt ist mir (einem Ossi) egal. Ich mache mir nur Sorgen um die Amerikaner.

Denn die Amerikaner sind das dümmste Volk der Welt. Vor Jahren hatte ich Gelegenheit, drei Monate lang mit amerikanischen Germanistikstudenten, die kurz vor der Graduierung standen, zu arbeiten. Ich wollte mit ihnen Kabarett machen – sie verstanden aber immer Musical. Fast alle spielten wunderbar ein Instrument, die Mädchen waren alle im Ballettunterricht gewesen, die Jungs waren zu tollen artistischen Einlagen bereit – aber sie wussten buchstäblich nichts. Außer dem schrecklichen »Homo Faber« von Max Frisch hatten sie kein Stück deutschsprachige Literatur gelesen. Von Marx wussten sie, dass er Kommunist ist – oder war. Biermann ist auch Kommunist. Von der temporären Existenz zweier deutscher Staaten hatten sie nie gehört und Russland, glaubten sie, würde von Zaren regiert. Unser Kabarett wurde ein bejubelter Erfolg – ein tolles Musical, schwärmten die Zuschauer. Aber Amerikaner sind nicht nur dumm, sondern auch extrem leichtgläubig. Meine Studenten von damals (wir halten Kontakt über Facebook) sind heute vor allem eins: fett! Zehn Jahre lang hat die Nahrungsmittelindustrie ihnen anempfohlen, Unmengen an Kohlenhydraten zu essen. Kein anderes Volk wäre darauf reingefallen.

Diesen schlichten Menschen erzählt der amerikanische Präsident, gebrieft von Merkels Kanzlisten, nun die rührende Geschichte vom Mädchen Angela – eine unterdrückte Kreatur, die nur selten die Sonne sehen durfte und bis zum Fall der Mauer keine eigene Hose hatte (jedenfalls keine richtige). Er erzählt, wie Angela, zur Frau gereift und unter Zwang in Physik promoviert, plötzlich den Freiheitswillen bekam, mutig aus dem niedrigen Pfarrerhäuschen heraustrat, zu den bösen Männern von der Stasi, die hinter der Kartoffelrose lauerten, dreimal »Nein!« sagte, drei Mal hinter sich spuckte und an dem Abend, an dem sie in der Sauna war, auf dem Nachhauseweg den Kommunismus ausrottete. Anschließend steht die Kanzlerin auf. Noch ganz verzückt und mit der Ordensschachtel in der Hand, bedankt sie sich für Obamas wahre, warme Worte und vor allem dafür, dass die Amerikaner die Ostdeutschen befreit haben.

Und jetzt? Jetzt sind die Amerikaner wieder etwas dümmer.

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