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Czarnè führt wieder den Dicken ins Rennen

BRETTSPIEL: Mit »White Elephant« soll die Renaissance auf dem Feld eingeläutet werden

  • René Gralla
  • Lesedauer: 3 Min.

Bereits der durchschnittliche Dickhäuter ist ein Geselle, dessen bloßer Anblick einen gewissen Respekt abnötigt. Doch dieser Prachtbursche hier macht's noch eine Nummer größer: Gleich drei Köpfe sitzen auf dem mächtigen Rumpf und präsentieren ihre Stoßzähne. Das Riesentier aus der Hindu-Mythologie – der Legende nach trägt es den Gott Indra – begrüßt als Standbild die Autofahrer, die sich vom Osten Bangkoks kommend auf der Sukhumvit Road dem Vorort Samut Prakan nähern. Eine unverwechselbare Werbung für das Erawan-Museum, das die Sammlung des 2000 verstorbenen Geschäftsmanns Lek Viriyaphant beherbergt, der es sich zeitlebens zur Aufgabe gemacht hatte, die Kunstschätze der Nation für die Nachwelt zu erhalten.

Der stolze »Chang Phueak« des Herrschers, wie er in der Landessprache heißt, ist jetzt einige Flugstunden weiter westlich zu unverhofften anderen Ehren aufgestiegen. Er ist Namensgeber des Spiels »White Elephant«, das dem Wuppertaler Autor Frank Czarnetzki, der sich den Künstlernamen Czarnè zugelegt hat, während eines ausgedehnten Thailandurlaubes – und daselbst natürlich auf dem Rücken eines Elefanten reitend – eingefallen ist. Die spontane Eingebung hat der gelernte Grafikdesigner nach der Rückkehr ins heimische Nordrhein-Westfalen umgesetzt in ein Szenario, das auf dem Brett eine ferne Landschaft kreiert, in der zwei Elefantenherden und deren Führer darum wetteifern, eine Fläche von herumliegenden Baumstämmen zu säubern.

Wohltuend dabei ist, dass Czarnè auf den Einsatz von Würfeln verzichtet. Viele Kollegen bauen gerne das Zufallselement in ihre Konzepte ein, aber der 44-Jährige sieht diesen Trend kritisch: »Da machen es sich manche ziemlich einfach. Würfel sind nämlich ein probates Mittel, um von einem schwachen Spielprinzip abzulenken.«

Tief durchdacht dagegen sind die Abläufe in »White Elephant«, und nur ein abgewogener Mix aus strategischer Planung und taktischen Überraschungsschlägen führt zum Erfolg. Entscheidend sind Umsicht und Entschlossenheit: »Die Chance nutzen, bevor sie auftaucht«, zitiert Erfinder Czarnè, der in der Freizeit Aikido trainiert, dazu einen klassischen Lehrsatz der Martial Arts. »Sie müssen den Gegner sorgfältig beobachten und eine passende Bewegung machen, bevor er sich zu einer eigenen entschließt.«

Auf diese Weise ist sein aktuelles Werk nicht allein eine Reverenz an Thailand, wohin es Czarnè regelmäßig zieht. Vielmehr wird in »White Elephant« zugleich eine Figur wiederentdeckt, die jahrhundertelang auch in Europa prägend für das Spiel der Spiele, nämlich Schach, war. Nachdem der Elefant zu den zentralen Einheiten des indischen Protoschachs »Chaturanga« gehört hatte, hielt er im Gefolge der arabischen Weiterentwicklung »Shatranj« auch seinen Einzug in nördliche Gefilde. Und er ist erst Ende des 15. Jahrhunderts aus dem Bewusstsein der Mattkünstler verschwunden. Da war nämlich mit einer radikalen Regeländerung der Elefant durch den »Läufer« ersetzt und das moderne Schach mit der robusten »Dame« als Leitfigur geschaffen worden.

In den auch in der Gegenwart noch beliebten asiatischen Varianten der Königsjagd, von Chinas »XiangQi« über Burmas »Sittuyin« bis hin zu – last, but not least – Thailands »Makruk«, ist der Elefant dagegen unverdrossen weiter am Werk. Und nun eben auch im zweiten Anlauf auf dem Alten Kontinent.

Der Mann, der das ambitionierte Projekt angeschoben hat, denkt übrigens schon weiter: 2012 ist das deutsch-thailändische Jahr, zur Erinnerung an die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor dann 150 Jahren. Herr Czarnè könnte sich aus besagtem Anlass durchaus ein Turnier nach dem Modus von »White Elephant« vorstellen.

Weitere Informationen zu »White Elephant«: www.ludoart.de

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