»Wörter in der Tasche«

Lyrik von Kirsten Opstad, nachgedichtet von Lutz-Rüdiger Schöning

  • Walter Flegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Wörtchen plötzlich gewinnt manchmal einen unerwartet wertvollen Sinn mit Folgen. Etwa, dass einer, der bisher Prosa schrieb, einen Band Nachdichtungen aus dem Norwegischen veröffentlicht, mit dem er sacht eine Tür öffnet, durch die ich in eine Landschaft gehe, zu Menschen, die mir unbekannt und dennoch vertraut sind.

Das geht vor sich, wenn einer das Glück hat scheinbar zufällig einer norwegischen Malerin zu begegnen, die Gedichte schreibt, einer jungen Frau, deren Lächeln und Gesicht es verdienen, gemalt und bedichtet zu werden. Kirsten Opstad, die auch mit Wörtern zu malen versteht. Wörter, die ihre Taschen füllen, wie es in einem ihrer Gedichte heißt. Wörter, die sie ausbreitet vor sich wie Schamanen ihre Knöchelchen, von deren Lage zueinander sie Zukunft ablesen, Heil oder Unglück, Trauer oder Freude.

Ich lese Kirsten Opstads Verse, deren Rhythmus ich fühle, die ich aber nicht verstehe. Dabei hilft mir Lutz-Rüdiger Schöning, der die Rohübersetzungen von Viola Krause-Mellernstrand zu Versen formt, die mich berühren wie etwas Gutes, Heimisches. Das vermag einer nur, wenn er den Wörtern und ihren Bildern bis zum Grund ihres Sinns folgt, wo die Seele zu entdecken ist. .

Mit wohltuender Behutsamkeit lässt Schöning mich eine junge Frau erleben, die über sich und ihr Land mit lächelnder Offenheit erzählt. Eine Frau, in deren Taschen ich unendlich viele Wörter vermute, und ich hoffe, sie holt sie alle noch ans Licht.

Dafür bürgt mir der Ort, an dem sich Kirsten Opstad und Lutz-Rüdiger Schöning begegnet sind: das Geburtshaus des norwegischen Nationaldichters Arne Gaborg, in dem die Malerin als Gästebetreuerin arbeitet. Und wie nebenbei erfahre ich Wichtiges über Gaborgs Leben.

Was Schöning mit diesem Büchlein leistete, ist für mich der Inbegriff von Nachdichtung.

Zimt und Wüste

Es jubelt ein durstiges Kamel
bei jeder Oase der Wüste
Ich denke dass ich deshalb für dich
leichte Beute gewesen sein müsste.

Du gibst nichts her du tauschst nichts ein
Ich häng an der Wand überm Bette
Europa als Karte
Das wirkt hier drin
Als ob man's verkleinert hätte

Ich schlafe ein mit dem Haar im Brei
Die Augen fest geschlossen
Ich sehe den Zimt nicht, der Tango tanzt
Mit meinen Sommersprossen

K.Opstad, L.-R. Schöning: Scheinbar zufällig. docupoint-Verlag Magdeburg. 140 S., brosch., 9,90 €.
Wenige Tage vor seinem Tod hat Walter Flegel diesen Artikel noch ans ND gesandt.

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