Papandreou dreht das Personalkarussell

Griechenlands Ministerpräsident bildet Regierung um / Parlamentsfraktion soll auf Linie gebracht werden

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Das »neue« griechische Kabinett von Giorgos Papandreou und dem Vizeministerpräsidenten und Finanzminister Evangelos Venizelos ist am Freitag in Athen vereidigt worden. Die Regierung will nach Angaben ihres Sprechers am Dienstagnachmittag im Parlament die Vertrauensfrage stellen.

Am Freitagmittag wurde sie von Evsebios, dem Erzbischof von Samos und Ikaria, vereidigt, und unmittelbar danach nahm sie mit der ersten Sitzung ihre Arbeit auf: die neue griechische Regierung von Giorgos Papandreou. Eine Vorstellungsrunde konnte ausfallen. Denn die meisten Gesichter sind dieselben geblieben, auch wenn einige Minister nun in anderen Sesseln sitzen. An der von der Bevölkerung abgelehnten Politik der drastischen Sparmaßnahmen wird weiter festgehalten. Das hatte Ministerpräsident Papandreou bereits am Mittwoch, bei der Ankündigung einer Regierungsumbildung, unmissverständlich klar gestellt.

Wer gehofft hatte, dass die neue Zusammensetzung zumindest Anzeichen für frischen Wind in der Regierung bringen würde, sah sich am Freitag getäuscht. Im Grunde verteilte Papandreou einige Ämter auf die bereits in der letzten Regierung vertretenen Minister neu, viele behielten ihre Posten sogar. Lediglich drei Minister verloren ihr Ressort, darunter auch die engagierte Umweltministerin Tina Birbili. Sie hatte sich für rigorose Maßnahmen gegen das Bauen in Naturschutz- und Waldgebieten eingesetzt, war aber am Widerstand von Parteikollegen der PASOK gescheitert, die mit dem Blick auf Wählerstimmen lieber die Augen bei illegalen Neubauten zudrücken wollen. Ebenfalls nicht mehr in der Ministerriege vertreten sind Außenminister Dimitris Droutsas und Arbeitsministerin Loukas Katselis, die sich in den letzten Monaten zu einer scharfen Kritikerin der Sparmaßnahmen entwickelt hatte.

Die wichtigste Änderung betrifft das Finanzministerium. Giorgos Papakonstantinou, der starke Mann in der Regierung, wurde von Papandreou ins Umweltministerium versetzt. Der Mann mit der Leidenschaft für Zahlen wird hier sicher nicht wie seine Vorgängerin die Ökologie über die Wirtschaftsinteressen des Landes stellen. Obwohl es in Griechenland traditionell immer der Ministerpräsident ist, der wie ein Monarch die politische Linie der Regierung bestimmt, war sein Finanzminister von vielen für die Misserfolge der Sparpolitik verantwortlich gemacht worden. Weil direkte Kritik aus den Reihen der Regierungspartei PASOK am Ministerpräsidenten als Destabilisierung Papandreous gewertet worden wäre, war Papakonstantinou auch von Parteifreunden stellvertretend angegriffen worden.

Neuer Finanzminister wird der bisherige Verteidigungsminister Evangelos Venizelos, der – neben dem bereits als stellvertretender Premier amtierenden Theodoros Pangalos – gleichzeitig auch das Amt eines Vizeministerpräsidenten bekleiden wird. Papandreou beruft damit seinen stärksten innerparteilichen Rivalen auf gleich zwei der wichtigsten Regierungsposten. Venizelos war 2007, als sich Papandreou nach zwei Parlamentswahlniederlagen im Parteivorsitz bestätigen ließ, gegen den Parteivorsitzenden angetreten, bei der Abstimmung jedoch klar unterlegen.

Die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) bezeichnete die Auswechselung des Finanzministers als »Eingeständnis der Erfolglosigkeit der Wirtschaftspolitik der Regierung«. Oppositionsführer Antonis Samaras, dessen Partei nach neuesten Umfragen erstmals vor der PASOK liegt, hatte bereits nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine Koalition zwischen Nea Dimokratia und PASOK am Mittwoch Neuwahlen gefordert.

Auch die beiden linken Oppositionsparteien setzen sich für Neuwahlen ein. Für die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) wurde mit der Regierungsumbildung lediglich »eine weitere für das Volk gefährliche Regierung zur Absicherung der neuen barbarischen Maßnahmen und der Vorbereitung der offensichtlichen Zusammenarbeit der Parteien der Plutokratie« geformt. Für die Linkspartei Synaspismos ist es »völlig gleichgültig, wer die ungerechteste und unsozialste Politik der vergangenen Jahrzehnte umsetzt«. »PASOK und Nea Dimokratia sind Teil des etablierten faulen politischen Systems der letzten Jahrzehnte«, erklärte die Partei.

Mit der Regierungsumbildung hofft der Ministerpräsident, seine Parlamentsfraktion nach der immer lauter geäußerten Kritik an den Sparmaßnahmen in den letzten Wochen wieder geschlossen hinter sich zu bringen. Dies ist auch nötig, wenn er in den kommenden Tagen – wie angekündigt – im Parlament die Vertrauensfrage stellen will. Darüber wird voraussichtlich Dienstagnacht abgestimmt. Sollten Papandreou weniger als 151 der verbliebenen 155 PASOK-Abgeordneten das Vertrauen aussprechen, wären Neuwahlen in Griechenland wohl unausweichlich.

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