Wert von Bildungsarbeit ist schwer messbar

Nord-Süd-Brücken lud zur Diskussion über die Wirksamkeit entwicklungspolitischer Inlandsarbeit

  • Lydia Reichelt
  • Lesedauer: 3 Min.
Unter dem Motto »Ist die entwicklungspolitische Inlandsarbeit unbezahlbar?« lud die Stiftung Nord-Süd-Brücken vergangenen Freitag zu einer Diskussion über die Wirksamkeit, Ansprüche und Finanzierbarkeit entwicklungspolitischer Inlandsarbeit ins Haus der Demokratie.
Inlandsarbeit im Rahmen des Berliner Entwicklungspolitischen Bildungsprogramms 2007.
Inlandsarbeit im Rahmen des Berliner Entwicklungspolitischen Bildungsprogramms 2007.

Es ist ein unbestrittener Fakt: Die entwicklungspolitische Inlandsarbeit steht weit mehr als die Auslandsarbeit unter ständigem Legitimationsdruck. Bei der Jahresveranstaltung der Stiftung Nord-Süd-Brücken wurden die inhaltlichen und finanziellen Perspektiven der Inlandsarbeit unter die Lupe genommen.

Seit zwei Jahrzehnten ist es entwicklungspolitischer Konsens, dass nicht nur Auslandsprojekte und Programme in den Ländern des Südens einen Beitrag zu Armutsbekämpfung und selbstbestimmter Entwicklung leisten können. Allseits anerkannt ist, dass auch hierzulande eine breite entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit notwendig ist, um die Spielräume für eine ökonomisch und politisch selbstbestimmte Entwicklung der Gesellschaften im globalen Süden zu erhöhen.

Die Diskutanten waren sich vor allem in Bezug auf die Relevanz entwicklungspolitischer Inlandsarbeit einig. Dieser Konsens spiegelt sich jedoch nicht in der Finanzierung wider. Walter Hättig, Geschäftsführer der Stiftung Nord-Süd-Brücken, weiß um die schlechten finanziellen Bedingungen und Herausforderungen der entwicklungspolitischen Vereine. Aus diesem Grund sei die Förderung von entwicklungspolitischer Bildungs- und Informationsarbeit sowie die Personalkostenförderung von Anfang an Stiftungsanliegen gewesen und wird auch weiterhin den größten Teil der Fördertätigkeit ausmachen.

Kambiz Ghawami, Sprecher der AG Bildung vom entwicklungspolitische Dachverband VENRO, kritisiert, dass Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Staaten sehr wenig Geld für Inlands- und Bildungsarbeit bereitstellt. Entwicklungspolitischer Inlandsarbeit sollte eine viel größere Gewichtung zukommen, denn »strukturelle Veränderungen müssen hier erfolgen«. Die Informations- und Bildungsarbeit diene schließlich dazu, die Akzeptanz in der Gesellschaft für Armutsbekämpfung zu schärfen und führe zu zivilgesellschaftlichem Engagement, so Ghawami.

Anne Schicht vom Entwicklungspolitischen Netzwerk Sachsen betonte die Notwendigkeit und Wirksamkeit entwicklungspolitischer Inlandsarbeit, welche vor allem in Form von kontinuierlicher Bildungsarbeit zum Beispiel an Schulen zu einem Bewusstseinswandel führen und so eine kritische Masse produzieren könne.

Jörn Kalinski von Oxfam Deutschland sieht in der Kampagnenarbeit die Aufgabe und die Möglichkeit, ein entwicklungspolitisches Bewusstsein in der Gesellschaft zu schaffen und so Druck auf politische Entscheidungsträger ausüben zu können, was letztendlich politische Prozesse verändern werde.

Gespalten waren die Meinungen in Bezug auf die aktuelle Frage nach der Wirkungsorientierung, an die die Debatte um die Messbarkeit anknüpft. Aus dem Publikum meldete sich Arndt von Massenbach zu Wort und kritisierte die veränderte Mittelvergabepraxis des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). »Es ist deutlich schwerer geworden«, sagte der Geschäftsführer von INKOTA .

Die Wirkung von Bildungsarbeit ist schwer messbar, da sich Bewusstsein und Einstellungen langsam entwickeln. Allerdings sieht Anne Schicht die Debatte um Wirksamkeit auch als Möglichkeit für die Nichtregierungsorganisationen, eigene Zielsetzungen zu reflektieren und letztendlich die Qualität ihrer Arbeit zu verbessern.

Nicht zuletzt bedarf es auch einer finanziellen Aufstockung der Inlandsarbeit, um die Relevanz und die Wirksamkeit zu verbessern. Möglichkeiten der Finanzierung gibt es, wo es einen politischen Willen gibt. Der ist momentan Fehlanzeige. Notwendiges zivilgesellschaftliches Engagement wird so ausgebremst.

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