Mitreden beim Großprojekt?

Jörg Detjen über eine Bürgerbefragung zur Zukunft der Kölner Häfen / Detjen ist seit 1999 Mitglied des Kölner Stadtrates und Co-Sprecher der dortigen Linksfraktion

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Fragwürdig: Mitreden beim Großprojekt?

ND: Am 10. Juli dürfen die Kölner das tun, was beispielsweise den Stuttgartern versagt blieb: an der Wahlurne rechtzeitig Nein oder Ja sagen zu einem Großprojekt. Es geht um die 65 Millionen Euro teure Erweiterung des Godorfer Hafens, des zweitgrößten Gefahrguthafens in Deutschland. Wieso will die Politik nicht alleine entscheiden?
Detjen: Die Politik hat sich seit einem Vierteljahrhundert über die Erweiterung gestritten. Die rot-grüne Ratsmehrheit will nun den internen Streit – die SPD ist für den Ausbau, die Grünen sind dagegen – umgehen. Deswegen wird das Thema jetzt der Bevölkerung vorgelegt.

In NRW sind Bürgerbegehren zu Flächennutzungs- und Bebauungsplänen nicht erlaubt. Was unterscheidet die Bürgerbefragung von dem vor drei Jahren für unzulässig erklärten Bürgerbegehren?
Zunächst ist die Befragung im Gegensatz zum Bürgerbegehren rechtlich zulässig. Deswegen konnte die SPD sie vorschlagen. Wir als LINKE haben dann gesagt: Bei einer eher informellen Bürgerbefragung kann man bessere Regeln setzen als bei einem Bürgerbegehren. So wurde das Beteiligungs-Quorum von 20 auf zehn Prozent gesenkt. Und es dürfen sich auf unsere Initiative hin Migrantinnen und Migranten beteiligen, was bei einem Bürgerbegehren ebenfalls nicht möglich wäre.

Derzeit findet in Köln ein veritabler Wahlkampf mit Plakaten, Veranstaltungen und Broschüren statt. Doch das Ergebnis der Befragung ist für den Stadtrat rechtlich nicht bindend. Problematisch?
Pragmatisch betrachtet nicht. Der Stadtrat sagt, er sieht sich an das Ergebnis der Befragung gebunden. Und der Rat steht so im öffentlichen Fokus, dass er sich gar nicht anders entscheiden kann.

Inhaltlich geht es um das komplexe Zusammenspiel von vier innerstädtischen Häfen, um Wirtschaft, Verkehr und Naturschutz. Um einen Zeitkorridor von mehreren Jahrzehnten. Und um eine Rechnung mit verdammt vielen Unbekannten. Ist der Bürger da nicht arg überfordert?
Das Thema ist sehr komplex, ja. Das macht die Mobilisierung gerade bei den Migranten schwierig. Wir führen viele Gespräche – und sagen: Entscheidend ist erst mal nicht die Frage des Ja oder Nein, sondern dass viele Migranten sich beteiligen.

Die Linkspartei kämpft mit Umweltverbänden, mit Grünen und sogar der FDP gegen den Ausbau. Warum diese Bündniskonstellation?
Aus inhaltlichen Gründen. Einmal würde die Sürther Aue zerstört, ein wichtiges Naturschutzgebiet. Zum anderen sind wir als LINKE für die Kölner Häfen, man muss und kann aber einen Kompromiss hinbekommen zwischen Industrie und Ökologie. Vier Häfen, wie bisher, sind besser als zwei große, wie die Ausbaubefürworter wollen. Wir sind uns mit den Gewerkschaften einig, dass der Deutzer Hafen bleiben muss. Die anderen Parteien wollen diesen einzigen rechtsrheinischen Hafen schließen und Luxuswohnungen bauen.

Die städtische Hafengesellschaft will dem Umweltverband BUND gerade einen, so die Lokalpresse, »juristischen Maulkorb« verpassen. Liegen da die Nerven blank?
Ja, offensichtlich. Die Hafengesellschaft agiert dumm, weil nun die inkriminierten Aussagen, dass sie im Verdacht stehe, Umweltbelastungen zu verschweigen, und dass der Godorfer Hafen ein großes Gefahrenpotenzial darstelle, erst recht breit gewalzt werden.

Interview: Marcus Meier

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