Das Milliardengrab »weißer Elefant«

London forciert überteuerte Trident-Modernisierung / Protest am Nuklearen Abrüstungstag

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: 3 Min.

Anhänger der atomaren Abrüstung in aller Welt begehen heute den »Nuklearen Abrüstungstag«. Die Organisatoren wollen mit vielfältigen Aktionen öffentlichen Druck auf die fünf offiziell anerkannten Kernwaffenmächte USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China ausüben, die am kommenden Wochenende auf einem Treffen in Paris über nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung beraten werden. Besonders aktiv ist die britische »Kampagne für nukleare Abrüstung« (»Campaign for Nuclear Disarmament« – CND), denn die Regierung in London treibt das milliardenschwere Modernisierungsprojekt der atomaren Trident-U-Boot-Flotte voran.

»Trident ist ein ruinöser weißer Elefant, den sich unser Land nicht leisten kann«, brandmarkt Kampagnenchefin Kate Hudson die Aufrüstungspläne der Regierung. Zu Recht fällt der Ausdruck »white elephant«, denn er bezeichnet im Englischen ein nutzloses überteuertes Millionengrab. Erst kürzlich meldete die Zeitung »Scotsman», dass die ursprünglich auf 14 Mrd. Pfund (rund 16 Mrd. Euro) angesetzten Kosten sich wahrscheinlich auf etwa 25 Mrd. Pfund erhöhen werden. Auf jedem der auf dem schottischen Marinestützpunkt Royal Navy's Faslane-on-Clyde stationierten atomgetriebenen U-Boote »Vanguard«, »Victorious«, »Vigilant« und »Vengeance« lagern bis zu 16 atomare Trident-Langstreckenraketen mit insgesamt rund 200 Sprengköpfen. Ein einziger hat die achtfache Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe.

Die U-Boote, von denen eines ständig voll aufmunitioniert im Atlantischen Ozean patrouilliert, sollen bis 2024 von einer neuen Generation abgelöst werden. Premierminister David Cameron pocht auf die noch von der Labour-Regierung unter Tony Blair beschlossene Atomrüstung als eine angebliche Rundumversicherung gegen neue Nuklearmächte, Terroristen und »Schurkenstaaten«. Um die bittere Pille zu versüßen, hatte Blair zwar versprochen, nur drei neue U-Boote zu bauen, die Zahl der Raketen und die atomaren Sprengköpfe von jetzt 225 auf unter 160 zu verringern. Doch Cameron besteht auf vier U-Booten.

Die Umrüstung des britischen Atomarsenals war schon immer umstritten, seit die damalige Premierministerin Margaret Thatcher in den achtziger Jahren die Polaris-Raketen ausmustern und durch Trident ersetzten ließ. »Die jetzt für die nächste Phase von Trident verschleuderten Milliarden werden bei der Bekämpfung der wirklichen Bedrohungen für die Sicherheit Großbritanniens fehlen«, empört sich CND-Generalsekretärin Hudson, »und der Kostenanstieg des Projekts wird immer tiefere Einschnitte in den öffentlichen Ausgaben verursachen.«

Auch die schottische Labour-Abgeordnete Katy Clark kritisiert die Überteuerung und die Geheimniskrämerei der Regierung bei den wirklichen Kosten. Sie fordert eine gründliche Debatte und Entscheidungsbeteiligung des Parlaments. Unerwartete Rückendeckung bekamen die Kritiker von den vier Generälen Edwin Bramall, David Ramsbotham, Hugh Beach und Patrick Cordingley, die in einem offenen Brief an die Zeitung »Times« nicht nur die Trident-Modernisierung, sondern das gesamte nukleare Abschreckungskonzept in Frage stellten.

Trotz anfänglicher Bedenken der Liberaldemokraten drückt die Koalitionsregierung jedoch auf Tempo. Verteidigungsminister Liam Fox verkündete kürzlich offiziell die zweite Umsetzungsphase des Projekts: »Für das langfristige Wohlergehen und die Sicherheit Großbritanniens ist eine dauerhaft auf See stationierte U-Boot-gestützte nukleare Minimalabschreckung in Form des Trident-Programms der beste Weg.« Kritiker bemängeln vor allem, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, obwohl die endgültige Entscheidung des Parlaments über den U-Boot-Bau erst nach den nächsten Parlamentswahlen 2016 fallen wird. Rund 3 Mrd. Pfund sollen aber bereits vorher ausgegeben werden. Der Stahl für den ersten Bootskörper oder kostenaufwendige Einzelteile wie die nukleare Antriebsreaktoren sind bereits geordert.

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