Zufallsfeste auf dem Dorf

Oliver Händler berichtet für ND von der Fußball- WM 2011 in Deutschland

  • Lesedauer: 2 Min.
Nachschuss: Zufallsfeste auf dem Dorf

»Sinschheim isch net so groß«, beantwortet mir die nette Dame an der Hotelrezeption die Frage, was man denn am Vorabend der Eröffnung alles im WM-Ort machen könne. »Die Fanmeile isch auch g'schlosse.« An einem Samstagabend, einen Tag vor der WM!

Also ein Blick in die Sinsheimer WM-Broschüre: Dorffest in Hoffenheim. Nichts wie hin, schließlich begann hier zwei Kilometer weiter der Kraichgauer Fußballwahnsinn. Auf dem Fest gibt's zünftige Marschmusik und jede Menge Futterzelte. Die Feuerwehr vornweg, dann das Rote Kreuz und die gesamte Hoffenheimer Sportriege: Volleyballverein, Tischtennis, Tennis und Angeln. Nur von Fußball nichts zu sehen – mit Ausnahme der Torwand für die Kinder im Gebetsgarten der Kirche.

»All das wegen der WM und dann gar kein Fußball?«, frage ich die ältere Dame, die mir eine Kurpfalzpfanne mit Spätzle serviert. »Nein nein, da isch mit den Termine was schiefg'laufe«, klärt sie mich auf. Das Dorffest hätte eigentlich schon vor Wochen stattfinden sollen. Ob denn Fans aus Frankreich oder Nigeria den Weg hierher gefunden hätten, will ich von ihrem Kollegen wissen. »Hhmm, hab noch keinen mit anderer Hautfarbe gesehen.«

Schwarz ist die vorherrschende Farbe bei meinem nächsten Stopp, allerdings nur bei T-Shirts und Hosen. Oben erwähnte Broschüre hatte mir noch »Rock am See« in Hilsbach zehn Kilometer weiter empfohlen. »Nein, das mit der WM ist nur Zufall«, sagt man mir gleich am Empfang. Man hätte den Leuten vielleicht Bescheid geben sollen, dass sie Teil des WM-Programms sind.

Immerhin spielen 14 Kinder auf dem Bolzplatz Elfmeterschießen, während die Eltern nebenan der Möchtegern-ACDC-Band zujubeln. Ein Mädchen ist dabei. Sie steht im Tor und hält fast alles, was die Jungs auf ihr Tor ballern. Ihr Shirt ist rosa. Wenigstens eine hat's kapiert.

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